Simon Weisz
- geboren am 3.2.1930 in Nyirbogat/Ungarn
- 1944 Ghetto Nyiregyhaza
- April 1944 bis September 1944 KZ Auschwitz
- September 1944 bis Januar 1945 KZ Dachau/Außenlager Landsberg
- Januar 1945 bis Februar 1945 KZ Dachau/Außenlager Landshut
- Februar 1945 bis Mai 1945 KZ Dachau
- Ungarn, Österreich, Westdeutschland, Italien
- 1948 Kanada
- 1957 USA
Simon Weisz verlor Mutter, zwei Brüder und zwei Schwestern während der Verfolgung. Er war 14 Jahre alt, als er ins Ghetto und dann nach Auschwitz kam.
Vor der Verfolgung
Diese eidesstattliche Erklärung gebe ich im Zusammenhang mit meinem Antrag auf Entschädigung wegen Schaden an Körper und Gesundheit ab.
Vor Ausbruch der Verfolgungsmaßnahmen lebte ich mit meinen Eltern und meinen vier jüngeren Geschwistern in Nyirbogat. Ich war ein kräftiges, gesundes Kind und besuchte die Schule. Nach dem Jahre 1943 war ein weiterer Schulbesuch nicht möglich, da schon damals antisemitische Maßnahmen einsetzten. Meine Familie lebte in gesicherten Verhältnissen. Mein Vater besaß ein kleines allgemeines Geschäft. Meine Heimat wurde im Frühjahr 1944 durch die Nazis besetzt und damit begann mein Leidensweg.
Bald trieb man uns in das Ghetto, wo wir unter drückenden Verhältnissen lebten.
Qülle: Soweit nicht anders angegeben: Akten Konrad Kittl, Eidesstattliche Erklärung Simon Weisz;
Ghetto Nyiregyhaza | |
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Ort: | Nyiregyhaza (Nireguhaza, Niereghaza, Niregshasa) |
Gebiet: | Ungarn, Gebiet Szabolcs |
Eröffnung: | 16.04.1944 |
Liquidierung: | 13.07.1944 |
Deportationen: | ab 14. Mai 1944 nach Auschwitz |
Bemerkungen: | Im Mai 1944 befanden sich im dortigen Ghetto 17.580 Menschen, von denen 5000 aus der Stadt selbst stammten und der Rest aus dem Umland. Ende April bis Mitte Mai wurden die Juden auf 3 landwirtschaftliche Anwesen au?erhalb der Stadt gebracht . Von hier wurden sie nach Auschwitz deportiert. |
Quelle: | Encyclopedia of Jewish Life, 2001; Braham: Politics of Genocide, GA Glass 20.02.2006, JCC Dr. Hoppe |
Datum der Ergänzung: | 16.02.2011 |
Quelle: Ghettoliste 2014 |
Auschwitz
Dann wurden wir in einen Viehtransportzug geschleppt und in das KZ Lager Auschwitz gebracht. Meine geliebte Mutter und meine zwei Brüder und meine zwei Schwestern hat man sofort in die Gaskammern geschickt und ich habe sie nie wieder gesehen. Von meinem Vater wurde ich getrennt. Man brachte mich zunächst in das sogenannte Kinderlager. Hier wurden wir für fast zwei Monate in Quarantäne gehalten, da eine Scharlachepidemie herrschte. Wir erhielten kaum etwas zu essen und wurden in Baracken zusammengepfercht gehalten. Danach kam ich in das Zigeunerlager. An einem unserer hohen jüdischen Feiertage wurde ich für das Krematorium ausgesucht. In panischer Angst lief ich von der Gruppe weg und rettete mich damit. Da ich für mein Alter recht groß war, bin ich einer weiteren Selektion wiederum umgangen.
Landsberg
Im September 1944 gelang es mir in einem Transport zu schmuggeln, der nach Landsberg gehen sollte. Ich sagte, ich sei viel älter. In Landsberg hatte ich, obgleich ich noch ein Kind war, die schwersten Männerarbeiten zu verrichten. Man trieb uns zu Erdarbeiten. Durch die elende Behandlung, den Hunger und und wir hatten auch gegen die einsetzende Kälte keinen Kleidungsschutz, wurde ich krank. Ich bekam hohes Fieber und wurde sehr schwach. An ärztliche Hilfe war nicht zu denken. Ich wurde lediglich in der Baracke gelassen. Eines Tages kam ein SS-Offizier und kontrollierte uns. Er schlug mich in brutalster Weise zusammen und zwang mich weiter zur Arbeit.
Außenlager des KZ Dachau | |
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Ort | Kaufering-Lager I, Landsberg |
Gebiet | Bayern |
Eröffnung | 22.06.1944 (erste Erwähnung) |
Schließung | Das Datum der "Evakuierung" nach Dachau ist nicht feststellbar; / die Befreiung durch die US-Armee erfolgte am 27.04.1945 [LIT] |
Deportationen | In das Außenlager Leonberg des KZ Natzweiler-Struthof wurden aus den Kauferinger Lagern 268 Häftlinge überstellt [LIT]; am 24.04.1945 wurden ca. 1.500 Häftlinge auf einen "Todesmarsch" über Schwabenhausen nach Emmering geschickt, wo sie per Bahn in das KZ Dachau transportiert wurden. |
Häftlinge | Etwa 3.000-5.000, v. a. Juden |
Geschlecht | Männer |
Einsatz der Häftlinge bei | Fa. Moll, Fa. Geiger, OT-Oberbauleitung Kaufering |
Art der Arbeit | Wasser und Kanalarbeiten, Arbeiten auf der Bunkerbaustelle |
Bemerkungen | Die Außenlager Kaufering um Landsberg und die Außenlager um Mühldorf sind im Zusammenhang mit den Planungen des sogenannten "Jägerstabs" entstanden. Hierbei handelte es sich um einen Versuch, die Lufthoheit der alliierten Streitkräfte durch die verstärkte Produktion von Jagdflugzeugen zu brechen. Zu diesem Zweck sollten ab Mitte 1944 in aller Eile riesige Betonbunker, "Jägerbauten", errichtet werden, in die man die durch Bombenangriffe stark beschädigten Produktionsanlagen verlegen wollte. Unter Leitung der OT wurden vier Firmen beauftragt, die entsprechenden Bunker zu bauen: Für das Projekt "Ringeltaube" bei Landsberg waren für den Bunker "Weingut II" die Firma Leonhard Moll, für "Walnuß II" die Firma Karl Stöhr, für "Diana II" die Firma Philipp Holzmann zuständig. Alle Baustellen befanden sich im Nordwesten von Landsberg. Bei Mühldorf sollte im Süden von Mettenheim der Bunker "Walnuß I" durch die Firma Polensky & Zöllner entstehen. Da der Bedarf an Arbeitskräften nicht durch "reguläre" Kräfte gedeckt werden konnte, wurden zahlreiche Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und v. a. KZ-Häftlinge nach Landsberg bzw. Mühldorf verlegt. Da nur auf wenige schon bestehende Baulichkeiten zurückgegriffen werden konnte, waren die Häftlinge mit einer improvisierten, völlig unzureichenden Unterbringung konfrontiert und in kürzester Zeit brachen Ungezieferplagen und Seuchen aus. In die Kauferinger Lager wurden insgesamt ca. 30.000 Häftlinge verschleppt. Durchschnittlich waren wahrscheinlich 10.000-20.000 Menschen in den Lagern. Die Häftlinge waren fast ausschließlich Juden und kamen v. a. über die KZ Auschwitz und Stutthof oder direkt aus Ungarn nach Bayern. Ab Januar 1945 wurden Häftlinge v. a. aus Lagern im Reichsgebiet in die Mühldorfer und Kauferinger Lager deportiert. Das Kaufering-Lager I wurde von III in I umbenannt und war das Hauptlager des Kaufering-Komplexes. Dort befand sich auch die SS-Kommandantur. Da kaum Dokumente über die Überstellungen in die Kauferinger Lager noch über die Überstellungen aus ihnen erhalten sind, ist die Anzahl der umgekommenen Menschen nicht bestimmbar. Schätzungen gehen davon aus, das fast jeder zweite gestorben ist. Überstellungen aus den Lagern waren sicherlich gleichbedeutend mit dem Tod der Häftlinge. [Die Angaben über Arbeitgeber und Art der Arbeit sind z. T. den Ludwigsburger Ermittlungen und dem ITS entnommen. Raim 1992 weist diesbezüglich auf Unstimmigkeiten und Unvollständigkeiten hin |
Quelle: deutschland-ein-denkmal.de |
Landshut
Im Januar 1945 trieb man uns in das KZ Lager Landshut. Trotz meines entsetzlichen Zustands nahm man mich zu Arbeiten beim Maschinenbau. Ich erkrankte an schweren Dysenterien und bekam wiederum keine Hilfe. Die Behandlung in diesem Lager war entsetzlich. Etwa die Hälfte aller meiner Leidensgefährten starben. Diejenigen, die noch am Leben waren, waren kaum noch als Menschen zu bezeichnen. Das Grauen jener Zeit werde ich nicht vergessen. Tagtäglich gab man uns Schläge.
Außenlager des KZ Dachau | |
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Ort | Landshut |
Gebiet | Bayern |
Eröffnung | September 1944 (erste Erwähnung) |
Schließung | 05./06.02.1945 |
Geschlecht | Männer |
Einsatz der Häftlinge bei | OT-Oberbauleitung Amt B.G. (Bedeutung der Abkürzung nicht bekannt |
Quelle: deutschland-ein-denkmal.de |
Dachau
Dann wurde das Lager aufgelöst und man verbrachte uns nach Dachau. In Dachau musste ich nicht arbeiten. Es war ein einziges Warten auf den Tod. Zusammen mit fünf anderen Leidensgefährten lag ich auf meiner Pritsche. Mitunter kam es vor, dass diejenigen, die neben mir waren dahinstarben. Ich hatte hier hohes Fieber und wahrscheinlich ein Typhusfieber. Als sich die Front näherte - wenige Tage vor der Befreiung - schleppte man uns auf einen Vernichtungsmarsch, auf welchem ich dann befreit wurde.
Nach der Befreiung
Nach meiner Befreiung erhielt ich sofort ärztliche Behandlung. Als ich mich wieder auf meinen Füßen halten konnte, begab ich mich wieder zurück nach Ungarn, um nach meiner Familie zu suchen, konnte aber niemanden mehr finden und floh aus Angst vor weiteren Verfolgungsmaßnahmen über Österreich nach Westdeutschland und lebte hier und später in den DP Lagern in Italien bis zu meiner Auswanderung im Jahre 1948 nach Canada. Im Jahre 1957 immigrierte ich nach den Vereinigten Staaten.
Durch die grausamen Erlebnisse während der Verfolgungszeit, die ständige Todesfurcht, den Verlust meiner Mutter, meiner vier Geschwister, die schweren psychischen Arbeiten, die ich als Kind verrichten musste, die dauernden Misshandlungen und Krankheiten, die Hunger, die Entbehrungen, bin ich heute noch gesundheitlich schwer gestört.
Ich erkläre mich bereit, mich durch einen Vertrauensarzt untersuchen zu lassen.
Die Richtigkeit meiner Aussage bestätige ich durch meine Unterschrift an Eides statt.
Anmerkungen
Entschädigungsamt
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Anmerkungen
- Die Juden von Nyirbogat wurden über Nyiregyhaza nach Nyirjespuszta gebracht und von dort nach Auschwitz; Quelle:
https://dbs.bh.org.il/place/nyirbogat
Bildnachweis
- Birkenau, Poland, 27/05/1944, A selection on the platform. Yad Vashem, AS 10BO1
- Stadtarchiv Landsberg am Lech, Bildarchivnummer 3232