Einführung

Die Schilderungen der deutschen und osteuropäischen Antragsteller*innen zeigen den Bruch in den Biografien, die die Verfolgung mit sich brachte.

Moses Hindes

Biografie: 1941 Zwangsarbeit, Ghetto Zbaracz, ZAL Tarnopol, 6/1943 Flucht, 3/1944 Befreiung

Vor meiner Verfolgung war ich Eierexporteur in Zbaraz … Mein Eierexportgeschaeft war eines der groessten in Polen … Ich hatte zwei Beamte (Buchhalter) und etwa 30 Arbeiter. … Durchschnittlich verdiente ich jaehrlich etwa 25 – 35000 Zloty … Ich lebte mit meiner Familie hochbuergerlich… Seit meiner Einwanderung in Israel lebe ich von der Unterstützung meiner zwei Toechter, die in Israel leben

Norbert Mizne

Biografie: 1938 Palästina

Von Ostern 1928 bis Ostern 1932 besuchte ich 4 Jahre lang die 41. Volksschule in Leipzig und von Ostern 1932 ab Sexta, Quinta und Quarta der Leibniz-Realschule in Leipzig, Nordplatz 1, in welche Schule ein starker Antisemitismus herrschte, der sich im Frühjahr 1933 immer mehr und mehr verstärkte. Da ich Staatenloser war, mußte ich das doppelte Schulgeld bezahlen. In meiner Klasse befanden sich abwechselnd 2 oder 3 jüdische Schüler und die übrigen Schüler gehörten fast ausschließlich der Hitlerjugend an. Von diesen gehörte wieder ein erheblicher Teil zu einer Gruppe, die sich Schlageter-Bande nannte, und der jedes Mittel recht erschien, Juden zu behelligen. So bekam ich ich im Sommer 1934 von einem dieser Nazis einen Schlag mit einem großen Abort-Schlüssel auf den Kopf, was meine Eltern dazu veranlasste, mich aus dieser Schule abzumelden. … Meine … Eltern bemühten sich im Hochsommer 1934, dass ich in die städtische Handelsschule in Leipzig mitten im Jahr aufgenommen werde. Doch wurde mir aus Gründen meines Judenseins die Aufnahme in diese Schule versagt

Josef Kanarek

geboren am 21.5.1920 in Leipzig

Unterschrift Joseph Kanarek
Unterschrift Joseph Kanarek

Biografie: 10/1938-4/1941 Abschiebung nach Polen, dann USA

Diese Hoffnung ist leider durch den blinden Hass die die Nazis zu den Juden hatten zerstoert worden. Im Oktober 1938 waren die Nazis in den Haus meiner Eltern eingebrochen und haben meinen Vater, Markus Hirsch Kanarek, meine Mutter Dora Kanarek geb. Mansbach, meinen aeltesten Bruder Isreal Elieser, meine Schwester Lesh und meinen juengsten Bruder Abraham und mich aus unserem Haus herausgetrieben und uns unbarmherzig in Waggons geladen und uns ueber die polnische Grenze geschoben ...

Unsere Not und das seelische Pein welches wir damals gelitten haben kann ich auf keinen Fall beschreiben. Von wohlhabenden und angesehenen Menschen sind wir ploetzlich und ohne eine Schuld hungrige und notleidende Bettler geworden.

Sonja Ostaczynski

geboren am 3.8.1928 in Suwalki/Polen

Biografie: Suwalki Judenstern, 2/1940 Ghetto Biala-Potlaska, 5/1942 Ghetto Miendrzyce, 10/1943 Majdanek, als christliche Gefangene nach Mühlegrube (Zwangsarbeit),  Befreiung 5/1945 durch sowjetische Truppen, Israel

Aus diesem friedlichen und sorgenlosen Milieu wurde sie im zarten Alter von 11 Jahren brutal von einem Tag zum anderen den Grauen der Verfolgung ausgesetzt. Mit dem Einmarsch der Deutschen wurde sie entrechtet und entehrt, ihrer buergerlichen Rechte beraubt. Die materielle Existenz der Familie wurde vernichtet. Trotz ihres jungen Alters musste sie schwere ihre koerperlichen Kraefte uebersteigende Zwangsarbeit verrichten. In dem bis dahin ruhigen und sorglosen Elternhaus herrschte ploetzlich eine Atmosphaere von Angst und Spannung, von Furcht und Depression.

Sonja Ostaczynski, Suwalki/Polen, Gutachten Dr. I. Kiwajko

Max Zimet

geboren am 8.1.1921 im Berlin/Deutschland, 1933-1936 Prag, 1936 Palästina

Biografie: 1928-1932 Volksschule Berlin, 1933 Werner-Siemens-Realgymnasium Berlin, 1933-1936 Prag, 1936 Palästina

Ich bin am 8.11.1921 in Berlin als Sohn der jüdischen Eltern Ignaz Zimet und Hinda, geb. Herzig geboren, und gehöre auch heute noch der jüdischen Gemeinschaft an. Unser letzter Wohnsitz in Berlin war Münchner Str. 9, wir sind von dort aus im Juni oder Juli 1933 zuerst nach Marienbad und von dort in kurzer Zeit  nach Prag ausgewandert. Die Auswanderung war deshalb notwendig geworden, weil das Geschäft meines Vaters derart boykottiert wurde, dass er seine Existenz nicht mehr bestreiten konnte und weil man ihn als Juden auch aufgefordert hatte, sein Geschäft zu schliessen.

Von Ostern 1928-1932 habe ich die Volksschule in Berlin, Derrflingerstr. besucht. Ostern 1932 kam ich auf das Werner-Siemens-Realgymnasium  in Berlin, Münchner Str. Dieses Gymnasium musste ich aber im Laufe des 2. Schuljahres (Quinta) infolge der  Auswanderung meiner Eltern verlassen. Ich habe den Schulunterricht dann im Sept. -Okt. 1933 in Prag wieder aufgenommen. Da dort ausser der deutschen Sprache auch die tschechische Sprache verlangt wurde, konnte ich Unterricht nicht mitkommen und habe dadurch insgesamt 1 1/2 Jahre in der Schulzeit verloren, da der Schulbeginn im Herbst war. Wir sind im November 1936  dann von Prag nach Palästina ausgewandert. Hier bin ich, da ich die hebräische Sprache nicht beherrschte, wieder in eine Volksschule gekommen, die ich im Sommer 1937 verlassen habe.