Sam Binke
- Geboren am 29.11.1928 in Lodz als Szlama Binke
- Ab Dezember 1939 musste er den Judenstern tragen
- im Mai 1940 wurde das Ghetto geschlossen
- Sam Binke arbeitete in der Wäscherei und Schneiderei
- am 23.7.1942 starb sein Vater
- etwas später wurde seine Mutter nach Chelmno deportiert
- Im August 1944 kam er ins KZ Auschwitz-Birkenau
- im Januar 1945 Transport ins KZ Buchenwald
- kam nach kurzer Zeit ins Außenlager Rehmsdorf des KZ Buchenwald
- 8. April 1945 Befreiung durch russische Truppen
- 20.8.1945 Ankunft in Großbritannien, Industrial Hotel Children Centre Windermere
- Januar 1951: Emigration in die USA
Lodz
Meine Eltern hatten in Lodz ein Sodawasser Fabrik in der Zegielniana 23, und ein Suesswarengeschaeft und fuehrten ein schoenes Leben.
Eidesstattliche Erklärung vom 31.1.1964, Entschädigungsakte Sam Binke, LANDESAMT FÜR FINANZEN, Amt für Wiedergutmachung, Rheinland-Pfalz
Ich bin am 29. November 1928 in Lodz, Polen geboren. Mein Vater hies Chiel Mayer Binke, meine Mutter Ester, geb. Neimann. Wir haben in der Brzczinska 23 gewohnt. Ich bin in Lodz zur Schule gegangen.
Etwa im Mai 1940 wurde das Ghetto in Lodz geschlossen. Da unsere Strasse im Ghetto gelegen war, konnten wir in unserer Wohnung bleiben. Im Jahre 1941 wurde ich in einer Waescherei im Ghetto beschaeftigt. Spaeter kam ich in eine Schneiderei, ebenfalls innerhalb des Ghettos. Der Judenaelteste hiess Rumkowsky. Die Bewachung erfolgte durch SS. Der Aufseher in der Schneiderfabrik war ein gewisser Jakobowicz.
Eidesstattliche Erklärung vom 21. August 1955, Entschädigungsakte Sam Binke, LANDESAMT FÜR FINANZEN, Amt für Wiedergutmachung, Rheinland-Pfalz
Ich nehme Bezug auf die von mir eingereichte eidesstattliche Erklaerung vom 5. Oktober 1955 und fuege zur Ergaenzung folgendes hinzu:
Als die Deutschen im September 1939 in Lodz eindrangen, ging ich dort noch zur Schule.
Ab Dezember 1939 mussten alle Juden an sichtbarer Stelle den Judenstern tragen. Ich war damals 11 Jahre alt. Ich wurde dauernd zur Zwangsarbeit herangezogen. Ich musste in einer Waescherei arbeiten und Waesche austragen.
Im Mai 1940 wurde das Getto in Lodz geschlossen. Auch hier musste ich weiter den Judenstern tragen.
Eidesstattliche Erklärung vom 15.5.1957, Entschädigungsakte Sam Binke, LANDESAMT FÜR FINANZEN, Amt für Wiedergutmachung, Rheinland-Pfalz
Anmerkung: Der Plan zeigt an, dass Chil Mayer Binke am 23.7.1942 verstorben ist, siehe auch die Liste der im Hospital verstorbenen und den Totenschein für Chil Mayer Binke. Wobei BD-Strasse identisch ist mit Sulzfelderstrasse und Brezinska, siehe Stadtpläne von Litzmannstadt aus den Jahren 1941/1942 sowie den Plan "Strassenbezeichnung im erweiterten Wohngebiet der Juden" (credit: 'Kestenbaum & Company Auctionhouse, New York') vom 21.7.1941. Bei ungefähr einem Drittel der Verstorbenen auf dieser Seite ist die Todesursache "Unterernährung".
Die Mutter des Antragstellers, Frau Estera Binke , wurde am 12. IX. 42 (schwer leserlich) "ausgewiesen" - d.h. nach Chelmno deportiert und dort ermordet, angezeigt durch das Kürzel "ausg".
August 1944 - Januar 1945: Auschwitz
Im August 1944 wurde ich nach Auschwitz transportiert. Mein Vater ist schon im September 1942 infolge der Entbehrungen im Ghetto Lodz gestorben. Meine Mutter wurde deportiert und ist nicht mehr zurueckgekommen. Zunaechst wurde ich ins Lager Birkenau gebracht. Hier bekam ich die Nummer B 7578 auf den linken Arm taetowiert. Einige Wochen spaeter wurde ich in ein grosses Lager in Auschwitz ueberfuehrt, wo wir etwa 150 Jugendliche untergebracht waren. Wir wurden zur Landwirtschaft und Tierpflege eingesetzt. Jeden Morgen wurden wir zur Arbeit gefuehrt und abends unter Bewachung zurueckgebracht. Die Bewachung war SS. Der Lageraufseher war ein SS Major, an dessen Name ich mich nicht mehr erinnere. Der Kapo und der Lagerfuehrer waren deutsche Haeftlinge, deren Namen mir auch entfallen sind. Wir mussten Gefangenenkleidung tragen.
Quelle: Eidesstattliche Erklärung 21.8.1955, Entschädigungsakte Sam Binke, LANDESAMT FÜR FINANZEN, Amt für Wiedergutmachung, Rheinland-Pfalz
Buchenwald, Rehmsdorf
Im Januar 1945 wurde das Lager aufgeloest und die noch Ueberlebenden nach Buchenwald transportiert. Hier war ich zwei Wochen in Quarantaene. Dann wurde ich mit der Eisenbahn ins KL Reimsdorf gebracht. Das Lager war mit elektrischem Stacheldraht umzaeunt, ebenso wie Auschwitz. Das Verlassen des KL war auch bei Todesstrafe verboten. Wir mussten in einer gebombten Fabrik, die innerhalb des Lagers gelegen war, Aufraeumungsarbeiten verrichten. Dort wurde Pulver und anderes Kriegsmaterial hergestellt. Die Fabrik war teilweise noch in Betrieb. Wir wurden morgens und abends in Begleitung von deutscher SS zur und von der Fabrik gebracht. Ich kann mich auf Namen nach solanger Zeit leider nicht mehr besinnen. Wir mussten Gefangenenkleidung tragen.
Etwa im April 1945 - genau kann ich mich an das Datum nicht erinnern - kam ich nach Theresienstadt und wurde in einer Kaserne untergebracht.
Auch hier trugen wir Gefangenenkleidung. Ich wurde zu keiner speziellen Arbeit herangezogen. Am 8. Mai 45 wurden wir durch die Russen befreit.
Quelle: Eidesstattliche Erklärung 21.8.1955, Entschädigungsakte Sam Binke, LANDESAMT FÜR FINANZEN, Amt für Wiedergutmachung, Rheinland-Pfalz
Ich wäghte 70 Pfund, ich war ein Skelett
Quelle: Eidesstattliche Erklärung 21.8.1955, Entschädigungsakte Samuel Binke, LANDESAMT FÜR FINANZEN, Amt für Wiedergutmachung, Rheinland-Pfalz
Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald | |
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Ort | Tröglitz, Gemeinde Rehmsdorf |
Bezeichnung | "Wille" |
Gebiet | Preußen (Provinz Sachsen) |
Eröffnung | 05.06.1944 |
Schließung | "Evakuierung" am 09.04.1945 nach Wittenberge. |
Deportationen | |
Häftlinge | Bis zu 4.250, vor allem Juden |
Geschlecht | Männer |
Einsatz der Häftlinge bei | BRABAG (Braunkohle-Benzin AG); Werk Zeitz |
Art der Arbeit | Aufräumarbeiten (z.B. Entschärfung von Blindgängern), Arbeit im Straßen-, Tief- und Gleisbau, Bau von Flakstellungen, um die Produktion von synthetischem Treibstoff zu sichern. |
Bemerkungen | 200 Holländische Häftlinge (untergebracht im Ochsenstall der Zuckerfabrik und im Gutshof Harnisch in Gleina) bauten für die späteren Häftlinge im Juni 1944 ein Zeltlager an der Rehmsdorfer Straße. Ende 1944 wurde unter der Leitung der Organisation Todt in Rehmsdorf ein neues Lager errichtet. |
Quelle: deutschland-ein-denkmal.de |
Nach dem Krieg
Nach der Befreiung wurde ich im August 1945 durch den Joint (siehe Anmerkung) nach Prag gebracht, wo wir in einem Hotel untergebracht und verpflegt wurden. Etwa eine Woche spaeter wurde ich per Flugzeug nach Ascot, England gebracht, wo ich zusammen mit anderen in einem Jugendheim untergebracht wurde. Von hier bin ich im Januar 1951 nach USA ausgewandert.
Quelle: Eidesstattliche Erklärung 21.8.1955, Entschädigungsakte Sam Binke, LANDESAMT FÜR FINANZEN, Amt für Wiedergutmachung, Rheinland-Pfalz
In obiger Sache hat sich mein Mandant weiterhin bemüht, ärztliche Nachweise für die Zeit vor 1954 beizubringen, was ihm jedoch nicht gelungen ist.
Zur Aufklärung möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass das Kinderheim in Ascott, Windsor Road nicht mehr existiert. Im Kinderheim Windermere war er nur zwei Wochen.
Quelle: Schreiben von Konrad Kittl an das Bezirksamt für Wiedergutmachung, Trier, vom 2.4.1965, Entschädinugsakte Sam Binke, Landesamt für Finanzen, Amt für Wiedergutmachung, Rheinland-Pfalz.
Anmerkungen
Weitere Quellen
Die Darstellung der Lage des Ghettos basiert auf folgenden Darstellungen, alle abgerufen am 10.7.2021
- Stadtplan Lodz 1938
- United States Holocaust Memorial Museum
- Wagner College
- Scan einer Karte (abgerufen 10.7.2021) "Strassenbezeichnung im erweiterten Wohngebiet der Juden", 1941
- holocaustresearchproject
Entschädigungsamt
Trier, Az.: VA 35 973, 1964-?
Anmerkungen
- Die Akte von Konrad Kittl enthielt nicht sehr viele Dokumente. Der Großteil der zitierten eidesstattlichen Erklärungen/Zeugenaussagen etc. stammt aus den Originalakten, die vom Landesentschädigungsamt Rheinland-Pfalz zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt wurden. Vielen Dank für die Unterstützung!
- Weitere Stadtpläne von Lodz:
- Plan von 1941 mit deutschen Straßennamen
- Landwirtschaftliche Betriebe in Auschwitz: siehe wikipedia
- joint: Joint Distribution Committee, jüdische Hilfsorganisation
- Sam Binke gab 1995 ein Zeitzeugeninterview
Bildnachweis
- Stadtplan Lodz 1938
- United States Holocaust Memorial Museum: Dokument aus Gruppe " Block A II Sulzfelder Str. No 23"
- United States Holocaust Memorial Museum: Dokument aus Gruppe "Sulzfelderstrasse 23"
- United States Holocaust Memorial Museum: Dokument aus Gruppe "Death Records"
- United States Holocaust Memorial Museum: Dokument aus Gruppe "Totenschein-II"
- Arbeitseinsatzkarte Szlama Binke; 1.1.5.3/5544489/ITS Digital Archive, Arolsen Archives
- Häftlings-Personal-Karte Szlama Binke; 1.1.5.3/5544464/ITS Digital Archive, Arolsen Archives
- Effektenkarte Szlama Binke; 1.1.5.3/5544485/ITS Digital Archive, Arolsen Archives