Liste der Ghettos

Laut den Unterlagen befanden sich die Antragsteller in folgenden,  ca. 140, Ghettos:

Baranowicze, Bedzin, Berehovo, Bershad, Biala-Podlaska, Bialystok, Bilky, Borszczow, Boryslaw, Brody, Brzesko, Brzeziny, Budapest, Budzyn, Byten/Slonim, Chelm, Chrzanow, Chust, Czernowitz, Czortkow, Deblin, Debrecen, Diatlovo, Dombrowa, Dombrowica, Drobin, Dywin, Dzialoszyce, Edinetz, Glebokie, Grodno, Grosswardein, Holszany, Hrubieszow, Ibra, Isa, Iwacewicze/Brest, Izbica, Jagielnica, Janow, Jaslo, Kamionka, Kaunas, Kiczwarda, Kielce, Klaj, Klausenburg, Kleszczele, Kolomea, Komarow, Konskie, Krakau, Krusznik, Lemberg, Lodz, Lodz/Jacoba-Strasse, Lokacze, Lublin, Luck, Lucka, Ludwipol, Lukow, Majdan-Tatarski, Mako, Mateszalka/Ungarn, Mielec, Moghilew, Munkacs, Nagy-Karoly, Nagy-Szöllös, Nove Zamky, Opole, Oshmyany, Pabianice, Parczew, Pinsk, Piotrkow-Trybunalski, Plaszow, Plonsk, Podbrozie, Podgorz/Krakau, Podhajce, Pruzana, Przemyslany, Radom, Rakow, Rejowiec, Riga, Rokitno, Ryki, Rzeszow, Sambor, Sandomierz, Sanok, Sarnaki, Sarny, Satora-Ujhely, Satu-Mare, Schaulen, Shalat, Shanghai, Sienawa, Slonim, Smorgon, Sosnowitz, Stanislawow, Stanislawow, Stoczek, Stopnica, Stryj, Swir, Szalard, Szarvas, Szarvas, Szeklencze, Targu-Mures, Tarnogrod, Tarnopol, Tarnow, Tiacevo, Tlumacz, Tluste, Trembowla, Trzebinia, Tschenstochau, Tyszowce, Uzhorod, Warschau, Wilna, Wladimir-Wolynsk, Wlodowa, Wolbrom, Zamosc, Zbarazh, Zdzieciol, Zelechow, Zwolen

Von den Antragstellern wurden noch ca. 20 weitere Ghettonamen angegeben, die oben angegebenen sind in der Liste der Ghettos enthalten, die zum Empfang von Renten nach dem "Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG)" berechtigen.

Karte mit einer Auswahl der in den Akten erwähnten Ghettos
Karte mit einer Auswahl der in den Akten erwähnten Ghettos

Anmerkung: Die Karte umfasst das vom Deutschen Reich okkupierte Gebiet Polens. Die Ghettos Kaunas, Wilna, Kleszcele, Lemberg, Stryj, Boryslaw lagen auf von der UdSSR besetztem Gebiet und wurden nach dem Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges eingerichtet, die ungarischen Ghettos Uschhorod, Munkatsch, Mateszalka, Nagyszöllös, Budapest 1944. Folgende, in den Akten erwähnte Ghettos liegen außerhalb des Kartenbereichs und wurden nach dem Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges eingerichtet: Baranowicze, Berehovo (Beregszasz), Bershad, Bilky, Borszczow, Brody, Chust, Czernowitz, Czortkow, Dzuryn, Grosswardein, Iwacewicze, Kolomea, Lokacze/Lokaczi, Ludwipol, Pinsk, Piotrkow, Podbrozie, Przemyslany, Riga, Schaulen/Šiauliai, Slonim, Smorgon, Stanislaw/Stanislau, Trembowla, Tluste, Wlodimierzec, Stolpce, Szarvas.

Leben in Ghettos

Lebensbedingungen

Viele Antragsteller berichten über die harte Arbeit in den Ghettos, die Deportation von Familienangehörigen in Vernichtungslager, Epidemien, die Ermordung von Angehörigen, die mangelhafte Ernährung und den extrem beengten Lebensverhältnissen.

Im Ghetto Lodz lebten auf 4km2 164 000 Menschen, verteilt auf 48 000 Räume. Eine Beschreibung aus der Ghetto-Chronik:

Es war ein kleiner Raum im Parterre mit einem Fenster, ohne Ofen, wie alle Zimmer, und ergab nach sorgfältiger Ausmessung 14 m2 . In dieses 14-Quadratmeter-Kabinett /wie bei uns ein einfenstriger Raum genannt wird/ zogen nun fünfzehn Menschen ein, überzeugt davon, den kleinen Raum mehr als auszufüllen. Die Matratzen, zur Nacht ausgelegt, liessen auch nicht zwei Zentimeter Raum frei, sondern schlossen, den ganzen Fussboden bedeckend, dicht und kunstvoll aneinander. Dieses Nacht-Vorbereitungsmanöver wurde von da ab jeden Abend mit demselben Aufwand an Kunstfertigkeit wiederholt. Die kleinste Ungenauigkeit im Zupassen der auszulegenden Matratzen und der Raum erwies sich als zu klein, die Matratzen waren nicht voll auslegbar.

Quelle: Sascha Feuchert, Erwin Leibfried und Jörg Riecke(Hrsg.): Die Chronik des Gettos Lodz / Litzmannstadt; Wallstein
Verlag, B
and 5, S.13,

Im Ghetto Wilna stand für jeden Menschen “etwas mehr als ein Quadratmeter Platz zum Schlafen zur Verfügung”.

Zur Lage im Ghetto Krakau:

"15 000 Juden sollten in einem Gebiet unterkommen, das zuvor 3000 Menschen als Wohnraum gedient hatte. Der Wohnraum wurde nach Fenstern berechnet. Vier Personen pro Fensterachse. Wenn also ein Zimmer zwei Fenster hatte, wurden bis zu acht Personen in diesem Raum untergebracht. Für Möbel war meist kein Platz mehr.In den 320 Häusern mit 3167 Zimmern sollten bis zum 20. März 1941 16.000 Juden Platz finden. Nach dem 15. September 1941 verschärfte sich die Lage, als nochmals 4.000 Juden aus den Orten in der Umgebung Krakaus übersiedeln mussten - nun lebten 20.000 Menschen zusammengepfercht auf engstem Raum."

Quelle:Die Errichtung des Krakauer Ghettos

 

Lebensmittelversorgung

Alle Antragsteller berichten über den Hunger, z. b. im Ghetto Lodz. Aus der "Chronik des Ghetto Lodz":

19. August 1943 Endlich, endlich! Am Nachmittag des 19. August, nachdem in den vorhergegangenen 24 Stunden groessere Kartoffelzufuhren eingerollt waren, wurden die Bons (Anm.: Lebensmittelkarten) realisiert. Die Menschen nahmen ihre Quote wie ein Geschenk des Himmels entgegen. Still, wortlos, ohne Dank und ohne Murren. Der Hunger hatte sie jeder Aufwallung des Herzens unfaehig gemacht. Drei kg Kartoffeln im Heim und man lebt weiter.
Manche stuerzten sich – so wird erzaehlt – auf diese Menge, die fuer 14 Tage ausreichen sollte und verzehrten sie auf einmal, ohne zu ueberlegen, was »spaeter«, »nachher« sein wird. Den Hunger unterdruecken, den Magen fuellen und die Zukunft Gott ueberlassen!
Das war die Parole, die unausgesprochene Parole des 19. August des Jahres 1943.

Quelle: Sascha Feuchert, Erwin Leibfried und Jörg Riecke (Hrsg.), Die Chronik des Getto Lodz/Litzmannstadt 1941, Band IV, S. 86, Wallstein Verlag,

Die Lebensmittelzuteilung erfolgte auf Lebensmittelkarten („Coupons“). Im Eintrag für den 29.1.1944 wird die Lebensmittelzuteilung für die Zeit vom 31. Januar bis 13. Februar 1944 beschrieben:

Auf Coupon 96 der Nahrungsmittelkarte gelangen zur Ausgabe: 600 g Roggenmehl; 100 g Suppenpulver; 200 g Roggengrütze; 50 g Zwiebelsaatmehl; 300 g Zucker, weiss; 200 g Zucker, braun; 400 g Salz; 300 g Kaffeemischung; 100 g Oel; 100 g Senf; 350 g Marmelade; 20 g Natron; 50 g Maggisuppenpulver; 250 g Waschsoda; 1/2 Stück Seife. Diese Ration beträgt: Mk. 7.50.

Ferner werden ab Sonnabend, den 29.I.44 an alle in den für sie zuständigen Milch-Verteilungsstellen auf Cp. 92 der Nahrungsmittelkarte 50 g Margarine; 30 g Schmelzbutter; 150 g Gemüsesalat pro Kopf, zum Preise von Mk. 1 ausgefolgt.

Zuteilung von Rettich und Mohrrüben: Ab Sonnabend, den 29.I.44 wird an alle in den für sie zuständigen Kolonialwaren-Verteilungsstellen auf Cp. 127 der Gemüsekarte 1 kg R e t t i c h pro Kopf für den Betrag von Mk. 0,50

Quelle: Sascha Feuchert, Erwin Leibfried und Jörg Riecke (Hrsg.), Die Chronik des Getto Lodz/Litzmannstadt 1941, Wallstein Verlag, Band IV, S. 86

Eine Aussage zur Versorgungslage im Ghetto Wina: “125 Gramm Brot täglich; an anderen Nahrungsmitteln wöchentlich: 80 g Graupen, 50 Gramm Zucker, 50 Gramm Sonnenblumenöl und 30 Gramm Salz”.

Quelle: Ghetto Wilna

Sterbebuch des Krankenhauses Ghetto lodz
Quelle: Lodz Ghetto Hospital Death Records (United States Holocaust Memorial Museum, List-ID: 20542)

Eine Seite vom Januar 1942. Todesursache "Inanitio":  "Unter Inanition oder Abmagerung versteht man eine Reduktion des Körpergewichts auf unter 80 % des Normalgewichts." Demnach ist jeder vierte Verstorbene auf dieser Seite verhungert..

Zwangsarbeit

Bereits in den Ghettos  mussten  viele Verfolgte für die deutsche Industrie und die Wehrmacht, etwa im Ghetto Lodz, arbeiten.  Dort arbeiteten 1943 70000 Ghettoeinwohner.

Die im Ghetto Lodz inhaftierten Antragstellerinnen und Antragsteller erwähnten ihre Arbeit in der Schneiderei (Tola Cudzynowski, Lilian Bergmann, Sam Binke, Elka Kolski, Moniek Kolski, Sara Szajbowicz), Wäscherei (Sam Binke, Mania Zinger), Strickerei (Abraham Klinger), Spinnerei (Eugene Chester), Schuhproduktion (Fa. Sonnabend - Pola Tenzer, Brajdla Wajsblum), Sattlerressort (Bassia Schneps, Lilka Czestochowski), im Strohressort (Strohschuhproduktion, Strohkorbproduktion - David Bieda, Sara Szajbowicz, Moniek Kolski, Tauba Rojm, Alex Bieda), Spielzeugproduktion (Henia Weissblum), Teppichressort (Bassia Schneps), „Metallabteilung Nr. 1“ (Ruben Fuchs), Metallressort (David Ledermann), Schmiede (Moniek Dymant), Lebensmittelverteilung (Sam Peter, Henia Weissblum), Gemüseressort (Charles Russak), Ladearbeiten (David Bieda und andere), beim Sortieren von Bekleidung und in der Krankenhausküche (Lonia Steinhauer), in der Verwaltung; als Schlosser, Mechaniker, Schweißer (Jakob Lejb), Friseur. Mehr als 70 Antragsteller*innen befanden sich Ghetto Lodz.

Ghetto Lodz, Strohschuhproduktion
Ghetto Lodz, Strohschuhproduktion; Quelle: Jüdisches Museum Frankfurt am Main, Lodz-A248, Foto: Walter Genewein.
Ghetto Lodz, Schneiderei
Ghetto Lodz, Schneiderei; Quelle: Jüdisches Museum Frankfurt am Main, Lodz-A339, Foto: Walter Genewein.
Ghetto Lodz: Produktionszahlen Schneiderei, Stand: 1.7.1943; Quelle: Yad Vashem, Archival signature 3435/335
Ghetto Lodz: Produktionszahlen Schneiderei, Stand 31.12.1943; Quelle: Jüdisches Museum Frankfurt am Main, Lodz-A336, Foto: Walter Genewein

Malka Brener

geboren 1918 in Wirbalin als Malka Orlinski, Aussage vom 13.1.1955

Unterschrift Malka B.
Unterschrift

Biografie: Sie lebte mit ihrem Mann, welcher als Buchhalter arbeitete, in Kowno (Kaunas, Kauen), Litauen. 1941 Ghetto Kowno, 1944 ein Monat KZ Stutthof, KZ Stutthof/Außenlager Elbling, 11/1944 KZ Stutthof, 4/1945 via Schiff evakuiert. Auf See wurde ihr Schiff aus der Luft angegriffen und sie wurde dabei verletzt.

"Sofort bei Errichtung des Ghetto KOWNO am 18. August 1941 fand eine Aktion seitens der Gestapo statt und wurden damals ca 500 Intellektuelle umgebracht. - Zwischen den Opfern befand sich mein Mann.- Die Ausführer der Aktionen waren SS Männer JORDAN u. WIEDMANN, MÜLLER u. GECKE. Ich selbst musst meine bisherige Wohnung mit allem was drin war verlassen und ins GHETTO KOWNO übersiedeln...Ich wohnte in der Krikschukaicestr. 51 mit vielen Personen in einem Raum.-Es gab auch einen von den Deutschen eingesetzten Judenrat mit Dr. Elkes an der Spitze, von welchem ich die Essensrationen und die Arbeitszuteilung bekam.- Als Judenabzeichen musste ich den gelben Stern auf Brust und Rücken tragen.- Zwangsarbeit verrichtete ich unter Wehrmacht Bewachung bei Erdplanierungen am Flughafen.-"

Eugene Chester

Biografie: Lodz, Ghetto Lodz (Spinnerei), KZ Auschwitz, KZ Groß Rosen/Außenlager Falkenberg (Strassenbau), KZ Neuengamme/Außenlager Hildesheim (Lastarbeiten), KZ Bergen-Belsen.

Als man das Ghetto einrichtete, wurde ich gezwungen, mit meiner Familie einzuziehen. Wir lebten in einem schmutzigen kleinen Raum und hatten nichts zu essen und ich hatte von Anfang an tag-taeglich fuer 12 Stunden Zwangsarbeit zu verrichten. Ich kam in eine Spinnerei . . . Unser Essen war miserabel und bestand aus wenig Brot und einigen Gemuesestuecken. Unter diesen Umstaenden wurde ich bald krank. Im Jahre 1942 setzten die Deportierungen ein. Mein Bruder wurde weggeschickt und ich habe ihn nie wieder gesehen. Ich erkrankte selbst an Dysentherien und Fieber. Mein Vater, der gleichfalls schwer arbeiten musste, verstarb, d. h. er verhungerte im Mai 1943.Ich zitterte jeden Moment davor, selektiert zu werden. Anfang des Jahres 1944 wurde ich zusammen mit meiner Mutter von der Grippo verhaftet. Da man herausbekommen hatte, dass wir reiche Leute gewesen waren, glaubte man, wir hielten Wertsachen versteckt. Bei dem Verhoer wurde ich brutal zusammengeschlagen. Dann entlies man mich. Meine Mutter behielt man fuer zwei Wochen. Ich befand mich in einem entsetzlichen Zustand, als man mich im August 1944 in das KZ Auschwitz schleppte. Meine Mutter und meinen Bruder hat man dort in die Gaskammern geschickt.

Cudzynowski, Tola

geboren am 25.09.1908 in Lodz als Tola Binke, Aussage von 1955.

Biografie: Zwangsarbeit in Lodz und Ghetto Lodz (Uniformschneiderei), 8/1944 KZ Auschwitz, 9/1944 KZ Bergen-Belsen, 2.12.1944 KZ Flossenbürg/Außenlager Mehltheuer (Munitionsfabrik) Häftlingsnummer 59484, 16.4.1945 Befreiung. Displaced Persons Camp  Feldafing

Ich habe in Lodz die Schule besucht und alsdann als Scheiderin gearbeitet. Im September 1939 kamen die Deutschen nach Lodz. Wir mussten sofort den Magen David tragen und wurden zur Zwangsarbeit eingesetzt, ich musste Reinigungsarbeiten auf der Strasse verrichten. Damals wohnte ich in der Danziger Strasse. Schon im Januar 1940 musste ich in das spaetere Ghetto ziehen, u. zw. in die Brzezinska. Im Mai 1940 wurde das Ghetto geschlossen. Es wurde mit Stacheldraht eingezaeunt. Am Tor war eine Warnung, dass jeder erschossen wird, der das Ghetto verlaesst. Das Ghetto wurde innen von juedischer Polizei bewacht und ausserhalb von der Gestapo. Der Judenaelteste hies Chaim Rumkowski, der deutsche Kommandant hies Bibow. Ich musste in de Schneidereiwerkstatt des Ghettos Uniformen fuer die deutsche Wehrmacht anfertigen. Ich blieb im Ghetto Lodz bis August 1944.

Lilka Czestochowski

geboren am 23.3.1924 in Lodz/Polen als Lilka Rochman, Aussage um 1965 (Antragsdatum)

Biografie: Ghetto Lodz; 8/1944 KZ Auschwitz, KZ Groß Rosen/Außenlager Christianstadt; KZ Bergen-Belsen; DP Camps Hessen (Zeilsheim). 1949 USA

Als die Nazis meine Heimat besetzten, begann mein Leidensweg. Von Anfang an hatten wir Schikanen zu erdulden. Als das Ghetto eingerichtet wurde, hatte ich mit meiner Familie einzuziehen. Es herrschten unglaublich schmutzige Verhaeltnisse. Zu essen gab es fast nichts und ich hatte im Sattlerressort die schwersten Zwangsarbeiten zu verrichten [...]
Wegen den unhygienischen Verhaeltnissen brachen Epidemien aus. Eine meiner Schwestern verstarb. Ich selbst wurde Opfer einer Typhusepedemie und erhielt nur ein Minimum an aerztlicher Hilfe. Alle Insassen waren nahe daran zu verhungern Im August 1944 wurden wir alle nach Auschwitz verschleppt. Hier hat man meine Eltern sofort in die Gaskammern geschickt

Ghetto Lodz, Sattlerei; Quelle:Jüdisches Museum Frankfurt am Main, Lodz-A226, Foto: Walter Genewein.
Ghetto Lodz, Sattlerei; Quelle: Jüdisches Museum Frankfurt am Main, Lodz-A226, Foto: Walter Genewein.

Ruben Fuchs

geboren am 21.5.1930 in Lodz/Polen, Aussage von 1963

Biografie: Anfang 1940–8/1944 Ghetto Lodz, KZ Auschwitz, 8/1944-2/1945 KZ Stutthof, KZ Stutthof/Außenlager Stolp, KZ  Stutthof/Außenlager Burggraben, Danzig, 2.5. 1945 Neustadt/Holstein 3.5.1945 Befreiung

Im Mai 1940 kam ich in das Ghetto Lodz. Obwohl ich noch ein kleines Kind war, wurde ich nach einiger Zeit im Ghetto zur Arbeit herangezogen, und zwar in der Metallabteilung No 1. Ich musste besonders deshalb arbeiten, um etwas Essen zu bekommen. Meine Eltern arbeiteten beide, aber nicht mit mir zusammen. Ich erinnere mich noch, dass ich damals unter staendigem Hunger und Magenschmerzen litt. Ich hatte auch oft Dysentherien und Erkaeltungen. Im Winter 1942 erkrankte ich an einem schweren Typhus. Meine Eltern waren auch beide krank und meine Mutter sagte mir immer ich muesste ruhig sein, da wir sonst weggefuehrt werden. In dieser Zeit wurde ich auch des oefteren geschlagen, immer wenn man mit meiner Arbeit nicht zufrieden war. Als das Ghetto Lodz liquidiert wurde, kam ich mit einem Transport, mit meinen Eltern, die beide schon sehr krank waren, nach Auschwitz. In Auschwitz kamen meine Eltern auf die andere Seite und ich habe sie nie wieder gesehen. In der Folgezeit war ich allein.

Mosche Izikowitz

geboren am 2.3.1914 in Sedikei/Litauen, Aussage von 1957

Biografie: 02.03.1914 Sidikei/Litauen. 1941 Enteignung, Ghetto Schaulen/Schauliai, 1944 KZ Stutthof, 1944 KZ Dachau/Außenlager Landsberg, Israel.

Nachdem die Hitlerhorden unsere Heimatstadt Schauliai besetzten, haben sie mir mein ganzes Vermoegen weggenommen. Mich mit meiner ganzen Familie hat man im Ghetto Schauliai eingesperrt. Seit jenem Tag ist mein Leidensweg begonnen: schwere Zwangsarbeit, Hunger, Schlaege und Schrecken, dass jeden Tag meine Familie von mir geraubt werden kann... Eines Tages hat Folgendes passiert: 1943, bei der grossen Kinder-Aktion im Ghetto Schauliai, als ich von der Sklavenarbeit zurueckkehrte, habe ich meinen 2 1/2-jaehrigen Sohn Rachmiel und meine Eltern nicht mehr gefunden; sie sind mit vielen anderen juedischen kleinen Kindern und aelteren Leuten umgebracht worden. Meine Nerven und mein Herz hatten es nicht aushalten koennen.

geboren am 18. 5. 1915 in Lodz/Polen, Aussage vom ?

Biografie: Enteignung, Judenstern, 1940 Ghetto Lodz, 1944 KZ Auschwitz, KZ Flossenbürg/Außenlager Siegmar-Schönau, KZ Flossenbürg/Außenlager Hohenstein-Ernstthal, Todesmarsch, 9.5.1945 Befreiung in Woschana, Aufenthalt in Italien, Zypern, Israel, 1962 USA.

Als die Nazis meine Heimat besetzten, begann mein Leidensweg. Schon in den ersten Monaten trieb man mich zu verschiedenen Aufraeumungsarbeiten. Natuerlich wurden wir enteignet und damit wurde uns unsere Lebensgrundlage genommen

Ruth Klejman

geboren am 28. 2. 1928 in Rokitno/Polen, Aussage von 1966

Biografie: bis 1941 Rokitno 7/1941-10/1942 Ghetto Rokitno, Flucht bei Liquidation, versteckt bis Befreiung 1944, Lublin, Anfang 1946 Displaced Persons Camp Eschwege, Ende 1947/Anfang 1948 illegal via Italien über Zypern nach Palästina

Bei einer Misshandlung bekam ich Hiebe ins Gesicht, fiel ohnmächtig zu Boden und erlitt damals einen Nasenbeinbruch Bei der Liquidation des Ghettos wurde alle Juden gesammelt und es fanden Erschiessungen statt. Ich sah, wie meine Mutter getroffen wurde und umfiel. Zu Tode erschrocken rannte ich davon in die Wälder. Ich hungerte und fror und lebte in fuerchterlicher Angst, vor Entdeckung oder Uebergabe an die Gestapo durch die Bauern; auch trug ich immer im Gedaechtnis, das Bild meiner blutenden Mutter.

Sam Peter (Piotrkowski, Szloma)

geboren am 17.7.1909 in Lodz/Polen, Gutachten Dr. Pineas vom 15.4.1967

Biografie: Realgymnasium, bis 1936 angestellter Buchhalter, 1936-1939 Großhändler für Hülsenfrüchte, 11/1939-8/1944 Ghetto Lodz, 8/1944-10/1944 KZ Auschwitz, 10/1944-1/1945 KZ Auschwitz/Außenlager Golleschau, 1/1945-5/1945 KZ Groß Rosen/Außenlager Brünnlitz, Displaced Persons Camp Zeilsheim, 1951 USA. Verlor acht seiner neun Geschwister und die Eltern.

Sara Suchowolski

geboren am 21.8.1922 in Parczew/Polen als Sara Korn, Aussage von 1962

Biografie: geboren am 21.8.1922 in Parczew/Polen, geb. Korn. 1936-1939 Handelsschule Parczew. 1939 - Herbst 1942 Parczew/Ghetto Parczew überlebte Massenerschiessung im Herbst 1942, Flucht, Israel, Antragsdatum 1962.
Anmerkung: Möglicherweise war das Reserve-Polizeibataillon 101 beteiligt, da es sich zu jener Zeit in der Gegend befand.

Als die Deutschen meine Heimat besetzten, musste ich schwerste Zwangsarbeit leisten und dies bei jedem Wetter, wie Kartoffeln ausgraben und andere Feldarbeiten [berichtet über Erkrankungen wie Dysentherie, Typhus, Fieber, Rheuma]. Wir wurden im Herbst 1942 alle in den Wald gebracht und die Deutschen begannen auf uns zu schiessen. Ich packte meine Schwester bei der Hand und wir liefen gebueckt davon und versteckten uns dann in Gebueschen und kamen so mit dem Leben davon. Als es dunkelte, krochen wir zurueck und fanden meine Mutter und meinen Bruder beraubt und erschossen vor. Wir besorgten uns eine Schaufel und begruben sie. Der Vater war nicht bei den Toten dabei, ihn fanden wir spaeter am Leben wieder.

Basia Szuch

geboren am 20.5.1919 in  Wladimir-Wolynsk/Polen als Basia ?, Aussage von ?

Biografie: geboren am 20.5.1919 in Wladimir-Wolynsk/Polen. 1941-9/1943 Ghetto Wladimir-Wolynsk, 9/1943-7/1944 versteckt, 1945 Westdeutschland, USA

Zwei meiner Brüder wurden schon in den ersten zwei Wochen auf der Strasse erschossen. Dies war ein entsetzlicher Schock fuer mich. Ich selbst kam mit meinem Ehemann, sowie Eltern und Geschwister in das Ghetto und wurde zu schweren Zwangsarbeiten, wie Reiningungsarbeiten und Feldarbeiten herangezogen. Bei der Arbeit wurden wir oft misshandelt und geschlagen. Die deutschen Wachtposten kamen auf das Feld und schlugen uns, wenn wir nicht schnell genug arbeiten konnten. Das schlimmste fuer mich aber war, dass ich schwanger war. Ich habe eine Tochter auf die Welt gebracht, welche nach neun Monaten verstarb, da wir nicht genuegend zu essen hatten. Mein Gesundheitszustand war unbeschreiblich. Waere mein Ehemann nicht dagewesen, haette ich nicht ueberlebt. Kurz spaeter verstarben mein Vater und Schwager. Ich erkrankte an Typhus und erhielt keinerlei aerztliche Hilfe. Unsere Situation war hoffnungslos. Wir unternahmen einen Fluchtversuch, wurden aber entdeckt. Mein Ehemann wurde verletzt. Bis zu Jahre 1943 lebten wir im Ghetto. Als wir hoerten, dass das dritte Ghetto liquidiert und alle Ueberlebenden ermordet werden sollten, unternahmen wir einen erneuten Fluchtversuch. Bei dieser Flucht wurde ich schwer verletzt.

Fajga Zaborowska

geboren im Januar 1915 in Opole Lubelski als Fajga Zalzman, Aussage vom 4.10.1960.

Biografie: geboren im Januar 1915 in Opole Lubelskie, geb. Zalzman. 1939 Judenstern, Zwangsarbeit, 1941 Ghetto Opole Lubelksie, 9./10.5.1942 Flucht, Juli 1944 Befreiung durch sowjetische Truppen, Lublin, 1946 Berlin-Schlachtensee, Wasseralfingen, 1949 Israel.

Opole-Lubelski wurde im September 1939 von den deutschen Truppen besetzt. Ab Ende November 1939 musste ich wie alle Juden die weissen Armbinden mit dem Judenstern tragen und Anfang 1940 mit meinen Eltern in das inzwischen von den Deutschen errichtete Ghetto ziehen. Das Ghetto war von der uebrigen polnischen Bevoelkerung mit Stacheldraht abgesperrt und bewacht. Innerhalb des Ghettos gab es einen Judenrat, dem die juedische Polizei zur Aufrechterhaltung der Ordnung unterstand. Bis auf die Alten und Kranken mussten alle arbeitsfaehigen Juden im Ghetto Zwangsarbeit verrichten.
Im Juni 1940 habe ich im Ghetto Herrn Shlomo (Szlama-Salman) ZABOROWSKY, meinen heutigen Ehemann, geheiratet.
Wir wurden zur Arbeit einer Arbeitsgruppe zugeteilt, die taeglich in aller Fruehe auf das in der Naehe gelegene Gut Niezdow gebracht wurde. Das Gut Niezdow unterstand direkt der deutschen Militaerbehoerde. Dort lag auch deutsches Militaer und S.D.
In den ersten Tagen des Mai 1942 begann die „Aussiedlung“. Aus dem Ghetto. Man sagte uns, dass die Transporte nach dem KZ Poniatow gehen werden. Meine Eltern wurden dem ersten Transport zugeteilt und kamen in der Nacht des 8.Mai 1942 noch weg. Seit dieser Zeit habe ich nie mehr ein Lebenszeichen von ihnen erhalten, so dass nicht daran zu zweifeln ist, dass sie ums Leben gekommen sind.

(Fajga Zaborowska, geb. Zalman, Aussage vom 4.10.1960, siehe auch Leben in der Illegalität. Niedow== Niezdow, siehe Opole Lubelski )

Franja Trombkowski

geboren am 16.5.1926 in Strzemieszyce/Polen, Aussage 1962

Biografie: 3/1940-5/1941 Ortskommandantur Strzemieszyce, 5/1941-22.6.1943 Skopek Strzemieszyce, 23.6.1943-4/1944 ZAL Ottmuth, 4/1944-4/1945 KZ Groß Rosen/Ludwigsdorf, 4/1945-6.5.1945 KZ Groß Rosen/Görlitz. Karlsruhe 1962

Gleich nachdem die Deutschen in Sztrzemieszyce eingefallen waren, wurde ich, obgleich erst 13 Jahre alt, zu schweren Reinigungsarbeiten herangezogen und später auch zu Schweissarbeiten. Die ungewohnte schwere Arbeit schwächte mich sehr und ich wurde auch sehr nervös, weil die Schweissarbeit sehr verantwortungsvoll war.  Mitte 1943 wurden meine Grossmutter, Tanten und Onkel vor meinen Augen erschossen und meine Eltern abtransportiert, so dass ich alleine zurückblieb Das verschlimmerte meinen Nervenzustand  so sehr,ich begann an schweren Depressionen zu leiden. [...].

Ich bemerke noch, dass ich in Ludwigsdorf in der Munitionsfabrik beim Trypulver arbeiten musste, was sich sehr schlecht auf meine Bronchitis auswirkte  und diese noch sehr verschlimmerte.

 

 

Wolf Korduner

geboren am 15.6.1898 in Wolodymyr-Wolynskyj/Polen, Entschädigungsamt Darmstadt

Biografie: 7/41-12/43 Ghetto  Wladimir-Wolynsk, 12/1943-7/1944 illegal, 1945-1949 DP Lampertheim (Hessen), Emigration USA

Vor Ausbruch der Verfolgung lebte ich zusammen mit meiner Ehefrau und meinen 5 Kindern in Vladimer in der Formanskastrasse. Ich war von Beruf Schneidermeister und betrieb ein eigenes Schneidergeschaeft.
[...]
Unmittelbar nach der Besetzung meiner Heimatstadt im Jahre 1941 setzten schwerste Verfolgungsmassnahmen ein.
Gleich vom ersten Tag an wurden wir von den Nazis schlecht behandelt. Wenig spaeter mussten wir in ein schmutziges Ghetto einziehen. Ich wurde zu schwersten Zwangsarbeiten herangezogen. Insbesondere waren es Lastarbeiten. Ich hatte zusammen mit den anderen Männern meiner Heimatstadt Munition fuer die Ostfront zu verladen. Bei der Arbeit wurden wir staendig schikaniert. Unser Essen war miserabel und ich begann abzumagern. Wenig spaeter fing man an, die Leute in Vladimer zu ermorden. Es war entsetzlich, staendig unter dem Gefuehl, heute bist Du oder Deine Kinder an der Reihe, zu leben. Im Jahre 1942 erkrankte ich an Typhus und erhielt keine aerztliche Hilfe. Wenig spaeter hat man viele meiner Verwandten ausgesiedelt und ermordet. Meine geliebte Frau und meine 5 Kinder im Alter von 9-20 Jahren hat man umgebracht. Es war ein entsetzlicher Schock fuer uns. Wenig spaeter beschloss eine Gruppe des Ghettos zu entfliehen. Unter Lebensgefahr gelang es uns, aus dem Ghetto zu fliehen und uns in den Waeldern zu verstecken. [...]
Von den rund 22000 juedischen Einwohnern meiner Heimatstadt haben kaum 100 die Greuel ueberlebt.