Schicksale der Angehörigen
Die Antragsteller wurden dazu aufgerufen, auch über das Schicksal Angehöriger zu berichten, "erforderliche Beweismittel" waren: "Verfolgungsschicksal näherer Angehöriger (Ehefrau, Eltern, Kinder usw.).", weshalb sich in vielen Akten auch entsprechende Angaben finden: die Antragsteller berichten davon, wie Angehörige
- unmittelbar nach der Besetzung ermordet wurden
- in Ghettos an Krankheiten verstarben
- in Ghettos verhungerten
- in Ghettos ermordet wurden
- bei Auflösung von Ghettos bei Massenerschießungen umgebracht wurden
- aus Ghettos deportiert wurden und sie diese "niemals mehr wieder sahen"
- nach Ankunft in Auschwitz ermordet wurden
- in Lagern umkamen
In mehr als 250 Akten wurden Aussagen der Antragsteller und Antragstellerinnen zum Schicksal ihrer Angehörigen gefunden, sie verloren mehr als 1150 Angehörige.
Aussagen zum Schicksal Angehöriger
Israel Korngold verlor die Ehefrau und zwei Kinder:
Als ich aus Belzec flüchtete und in den Waeldern um Tarnogrod versteckt war, hoerte ich spaeter, dass meine Frau Golda und meine beiden Kinder (Josef, Mendel) mit einer grossen Gruppe anderer Juden auf den christlichen Friedhof von Tarnogrod von deutscher SS erschossen wurden. (1961)
Salomon Lazar verlor zwei Söhne, eine Tochter und sechs Geschwister. Ein Sohn war zusammen mit ihm in Auschwitz:
Nach wenigen Monaten … wurde wieder eine Selektion durchgefuehrt und mein Sohn wurde zu der Gruppe gestellt, welche in die Gaskammern geschickt werden sollte. Ich rannte ihm hinterher. Daraufhin kam ein Wachtposten auf mich zu und schlug mich auf grausamste Weise mit einem Gewehrkolben auf den Kopf. Als ich wieder zu mir kam, lag ich im Krankenrevier
Chanka Reichmann verlor sieben Familienmitglieder: die Eltern, zwei Schwestern und drei Brüder. Gegen Kriegsende war sie mit einer Schwester im KZ Bergen-Belsen:
Es war noch ein entsetzlicher Schock für mich, als 10 Tage vor der Befreiung noch meine juengere Schwester starb, mit der ich die ganze Zeit zusammen gewesen war.
Max Minkowitz verlor drei Familienangehörige, die Eltern und eine Schwester:
1942 liquidierte man das Ghetto und meine geliebte Mutter und meine Schwester hat man damals umgebracht […] Einen Tag vor der Flucht hat man meinen geliebten Vater vor meinen Augen erschossen
Anmerkung: Beim erwähnten Ghetto handelt es sich im das Ghetto Baranowicze
Lilly Mynarski verlor fünf Familienangehörige, die Eltern, zwei Brüder und eine Schwester:
Dann schleppte man uns mit erinem Viehzug in das KZ-Lager Auschwitz. Hier wurden meine Eltern, meine 2 Brüder und eine Schwester von mir weggerissen. Am nächsten Tag erfuhr ich, dass man sie in die Gaskammern geschickt hat.
Esther Retkinski verlor acht Familienangehörige, die Eltern, vier Brüder und zwei Schwestern:
Im Jahre 1942 starb ihre Mutter im Alter von ungefaehr 44 Jahren vor Hunger in den Armen der Patientin; ihr Vater, Alter 50 Jahre und eine Schwester, Alter 14 Jahre, starben beide an Hunger im Jahre 1942; alle starben innerhalb von sieben Wochen, die Patientin war beim Tod der drei zugegen […] Ihre Schwester, Alter 15 Jahre, wurde von der Patientin weggerissen und sie hat sie nie mehr wiedergesehen [...] Im August 1944 wurden sie und ihre Brüder […] in das Konzentrationslager Auschwitz gebracht [...]Sie wurde von ihren Brüdern getrennt und sah sie nie wieder.
Anmerkung: Die Familie befand sich im Ghetto Lodz.
Charles Russak verlor sechs Familienangehörige, die Eltern, drei Schwestern und einen Bruder:
Im Jahre 1942 kam es zu der ersten grossen Aussiedlung. Bei der sog. „Sperre“ hat man meinen geliebten Vater weggeschleppt. Desgleichen nahm man meinen Bruder weg. [...]Bei der Auflösung des Ghettos wurde ich nach Auschwitz verbracht. Meine Mutter und meine drei Schwestern schickte man in die Gaskammern.
Anmerkung: beim erwähnten Ghetto handelt es sich um das Ghetto lodz
Bronka Stern verlor ihre Mutter:
Noch im Lager Christianstadt wurde meine Mutter erschossen, ich erkannte – nach langen Suchen ihren Leichnam an ihren Kleidern. Ich bekam beim Anblick meiner Mutter einen Schock, fiel ohnmächtig zu Boden und verfiel in einen andauernden Depressionszustand.
Becalel Wisniewski verlor sechs Angehörige, die Eltern, drei Brüder und eine Schwester:
Sein Bruder Motil, der die Baracken in Treblinka mit aufgebaut hatte, fand den Tod bei dem Aufstand der Juden in Treblinka; seinem Vater wie auch seiner Mutter, die ihren juengsten Sohn mit sich genommen hatte, gelang die Flucht aus dem Ghetto; sie wurden jedoch nach der Ghettoliquidierung aufgestoebert, in das Gefaengnis Stoczek eingeliefert; sie verliessen es nicht mehr lebendig; der Bruder Leibl fand in Treblinka sein Ende; seiner Schwester gelang es, sich bei einem Polen namens Gaba am aeussersten Ende von Stoczek sich zu verbergen; Gaba versteckte sie und nach und nach noch vier andere junge juedische Maedchen in einem bunkerartigen Kellerabteil eines noch unfertigen Hauses bis etwa zwei Monate vor der Befreiung, als sie dann an die Deutschen verraten, von diesen erschossen wurden
Anmerkung: Die angaben zum Tod der Angehörigen stammen laut Angabe im Akt von der jüdischen Gemeinde München und werden aus einem Gutachten zitiert.
Sara Sucholowski verlor ihre Mutter und den Bruder bei einer Massenexekution:
Wir wurden im Herbst 1942 alle in den Wald gebracht und die Deutschen begannen auf uns zu schiessen. Ich packte meine Schwester bei der Hand und wir liefen gebueckt davon und versteckten uns dann in Gebueschen und kamen so mit dem Leben davon. Als es dunkelte, krochen wir zurueck und fanden meine Mutter und meinen Bruder beraubt und erschossen vor. Wir besorgten uns eine Schaufel und begruben sie.
Anmerkung: Es handelte sich dabei um eine "Aktion" im Ghetto Parczew.
Morris Szuch verlor den Vater, den Bruder und seine kleine Tochter im Ghetto Wladimir-Wolynsk:
Im Jahre 1942 verstarb meine kleine Tochter im Alter von neun Monaten an Hunger. Das gleiche Schicksal widerfuhr meinem Vater und meinem Bruder. Ich musste zusehen, wie sie dahinsiechten.
Anmerkung: Morris Szuch befand sich mit seiner Frau Basia und den weiteren Familienmitgliedern im Ghetto Wladimir-Wolynsk.
Israel Katz verlor neun Angehörige im Ghetto Jaryczow-Novy, die Ehefrau, vier Kinder, die Eltern, zwei Brüder:
Vom Ghetto Lemberg kam er mit seiner Frau in das Ghetto Jaryczow-Novy. Anfang 1943 fand dort eine Aktion statt, bei der mehr als 5000 Menschen umgebracht wurden. Waehrend die Aktion stattfand, befand er sich mnit seinen Arbeitskameraden ausserhalb des Ghetto auf Arbeit, und als er in das Ghetto zurueckkehrte, hoerte er von dem Geschehen. 110 Menschen blieben uebrig. In der Nacht mussten sie die Leichen in Graeber werfen und diese zudecken. Bei dieser Aktion sind auch seine Frau und seine Kinder, ausser dem aeltesten Sohn David-Markus umgekommen. Der Mandant glaubt sich zu erinnern, dass die Aktion am 14. oder 15. Januar 1943 durchgefuehrt wurde. Er jedenfalls sagt am 15. Januar immer Kaddisch nach seinen Angehoerigen.