Samuel Tandlich
- geboren am 20.12.1924 in Piekielnik/Slowakei, gestorben 6.11.1989
- 1929 - 1934 Elementarschule
- 1934 - 1939 Privatunterricht
- 1939 - 1941 Landwirtschaftl. Spezialschule
- Mai 1942 Verhaftung, Sillein
- Mai 1942 bis Juni 1942 KZ Lublin-Majdanek
- 30. Juni 1942 bis Oktober 1943 KZ Auschwitz, Häftlingsnummer 43836
- Oktober 1943 bis August 1944 KZ Warschau
- 6.8.1944 KZ Dachau, Häftlingsnummer 87422
- 13.8.1944 KZ Dachau/Außenlager Mühldorf
- 2.5.1945 Befreiung
- 1946 bis 1949 Ampfing/Mühldorf
- Mai/Juni 1949 Emigration in die USA via Bremen
Samuel Tandlich verlor Eltern, 2 Brüder, 2 Schwestern im Holocaust. Die Mutter und Schwestern starben in Majdanek, der Vater und die Brüder in Auschwitz. Er war 18 Jahre alt, als er verhaftet wurde.
Vor der Verfolgung- Piekielnik
Diese eidesstattliche Erklärung gebe ich im Zusammenhang mit meinem Antrag auf Entschädigung wegen Schaden an Körper und Gesundheit ab. Vor Ausbruch der Verfolgung lebte ich zusammen mit meinen Eltern und meinen zwei jüngeren Bruedern und meinen jüngeren Schwestern in Piekielnik. Mein Heimatort gehörte bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges zu Polen und kam dann zum Staat Tschechoslowakien. Ich war immer ein kräftiger, gesunder Junge (Ich stamme aus einem wohlhabenden und behüteten Elternhaus). Fast fünf Jahre besuchte ich die Elementarschule, dann ließen meine Eltern mir Privatunterricht geben (der Besuch eines Gymnasiums war für mich nicht möglich). In den Jahren 1930/1941 besuchte ich eine landwirtschaftliche Spezialschule. Mein Vater besaß größereren Grundbesitz außerdem war er Inhaber der Ortsrestauration und betrieb Holzhandel. Wir galten in Piekielnik als wohlhabende Leute. Da mein Heimatort zu Tschechoslowakien [1] gehörte, blieb ich bis zum Beginn des Jahres 1942 vor Verfolgungsmaßnahmen weitgehend verschont.
Quelle: Soweit nicht anders angegeben: Akten Konrad Kittl, Eidesstattliche Erklärung Samuel Tandlich zu Entschädigungsantrag wegen "Schaden an Körper und Gesundheit", um 1965.
Anmerkungen:
- Piekielnik gehörte von 1939-1945 zum slowakischen Staat.
Silina, Maidanek
Im Mai 1942 wurde ich verhaftet und in das Gefängnis Silina [1] gebracht. Zusammen mit meiner Familie schleppten uns dann die ...[2] ... in das Konzentrationslager Meidanek[3] verbrachte[4]. In diesem Todeslager verblieb ich nur sehr kurze Zeit. Ich wurde von meiner Mutter und meinen zwei Schwestern getrennt. Ich habe sie nie wieder gesehen und sie sind in diesem Vernichtungslager umgekommen.
Im Mai 1942 wurde ich von slowakischer Gestapo verhaftet und in das Gefaengnis nach Silina gebacht. Nach zwei Tagen wurden wir von der Hlinka-Garde auf einen Lastzug gebracht und an die slowakische Grenze gefuehrt, dort wurden wir von deutscher SS uebernommen, und in das KZ Majdanek gebracht. Im KZ Maidanek war ich bis Ende Juni/Anfang Juli 1942. Der deutsche SS Kommandant hiess: Standartenfuehrer Weiss.
In Maidanek war ich zum Barackenbau kommandiert. Wir wohnten zu 600 Mann in einer Baracke und hatten hauptsächlich Baracken in der Lipowa in Lublin zu bauen.
Quelle: Landesarchiv-Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg EL 350 I Bü 32700, EE Samuel Tandlich vom 14.6.1954
Anmerkungen:
- gemeint ist Zilina/Sillein
- eine Zeile fehlt
- Majdanek
- laut Aktenauszug wurde die Familie im Mai von "slowakischer Gestapo verhaftet und in das Gefängnis nach Silina verbracht. Nach 2 Tagen von Hlinka-Garde (slowakische Faschisten) an die slowakische Grenze geführt, von dort von deutscher SS übernommen und in das KZ Majdanek gebracht."
Auschwitz
Zusammen mit meinem Vater und meinen beiden Bruedern trieb man mich dann in das Konzentrationslager Auschwitz. Hier riss man auch meinen Vater und meine Brüder von mir weg und brachte sie um. Ich selbst bekam die Nummer 43836 eintätowiert. Bis zum September/Oktober 1943 verblieb ich in diesem Vernichtungslager. Ich wurde zu schwersten Zwangsarbeiten herangezogen, in Buna beim Bahnhofskommando und später in der Wäscherei. Ich erkrankte an einem schweren Typhus und kam in das Revier. Dem Revier konnte ich jedoch entkommen, ein Wächter, der Mitleid mit mir hatte, sagte, ich soll mich gesund melden, da ich andernfalls in die Gaskammern käme. Da ich noch abgeschwächt war, konnte ich die Arbeiten, die man mir zumutete, ich hatte viel zu schwere Lasten zu schleppen, oft nicht richtig durchführen und erhielt immer wieder Schläge.
Anmerkung: Eine Erläuterung der Liste siehe USHMM
Ende Juni/Anfang Juli 1942 ging ein Transport von 400 Mann von Maidanek nach Auschwitz. In diesem Transport war ich eingereiht. In Auschwitz bekam ich Häftlingskleidung und die No. 43836 eintaetowiert. Ich wohnte dort in verschiedenen Blocks, z.B in Block 5, 17a, 6 und 4a.
In Auschwitz wurden wir immer zu Bauarbeiten durch SS geführt, u. zw. hauptsächlich nach Buna, wo eine Fabrik gebaut wurde.
Manchmal wurden wir auch zu Transportarbeiten auf den Bahnhof Auschwitz kommandiert.
Quelle: Landesarchiv-Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg EL 350 I Bü 32700. Eidesstattliche Erklärung Samuel Tandlich vom 14.6.1954, Schaden an Freiheit.
KZ Warschau
Von Auschwitz aus kam ich nach Warschau. Hier hatten wir die zerstörten Häuser auszuräumen. Die Verhältnisse waren ähnlich wie in Auschwitz. Viele meiner Leidensgenossen siechten dahin. Wieder erhielt ich Schläge und es war für mich immer nur noch eine Frage, ob ich den nächsten Tag auch noch erleben würde.
Im September/Oktober 1943 wurde ein Transport von 3000 Mann nach Warschau geschickt. In Warschau wurden wir in einem neu errichteten KZ, welches in der Nähe des Gefängnisses Pawia lag, untergebracht. Dieses KZ war von Mauern und Drahtverhauen umgeben und wir wohnten in Baracken. Wir waren einer der ersten Transporte, die in dieses KZ kamen und wurden zur Demolierung der Häuser des Ghettos eingesetzt.
Quelle: Landesarchiv-Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg EL 350 I Bü 32700. Eidesstattliche Erklärung Samuel Tandlich vom 14.6.1954, Schaden an Freiheit.
Konzentrationslager Warschau | |
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Ort | Warszawa / Warschau |
Bezeichnung | |
Gebiet | Generalgouvernement (1939-1945) |
Eröffnung | 15.08.1943 |
Schließung | Zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 01.05.1944 wurde das KZ als Außenlager des KZ Lublin weitergeführt |
Deportationen | Ab 24.07.1944 nach KZ Dachau, wo die Ankunft am 06.08.1944 registriert wurde |
Häftlinge | |
Geschlecht | Männer |
Einsatz der Häftlinge bei | |
Art der Arbeit | Bergung und Sammlung der beim Abbruch des Ghettos anfallenden Materialien |
Bemerkungen | Bereits am 19.07.1943 wurden 300 Häftlinge aus dem KZ Buchenwald zum Aufbau des KZ überstellt. / Die Einrichtung eines Konzentrationslagers in Warschau geht auf Himmlers Wunsch zurück, jegliche Spur der ehemals größten jüdischen Gemeinde Europas aus dem Stadtbild zu entfernen: Das gesamte Ghetto sei niederzureißen und sämtliche Erdbunker, Keller und unterirdische Kanäle zuzuschütten. Anschließend sei das Gelände mit Erde zu bedecken und in einen Park umzuwandeln. Zu diesem Zweck ließ das SS-WVHA ab Juli 1943 auf dem früheren Ghettogelände ein Arbeitslager einrichten. Die Häftlinge wurden aus Buchenwald und Auschwitz nach Warschau überstellt. Das Konzentrationslager wurde ab Frühjahr 1944 als Außenlager des KZ Lublin-Majdanek weitergeführt. Etwa 2.500 KZ-Häftlinge und 1.000 polnische Arbeiter wurden über ein Jahr lang eingesetzt, um die Gebäude abzureißen und das Gelände dem Erdboden gleich zu machen. Ab dem 24. Juli 1944 wurden die Häftlinge vor allem in das KZ Dachau "evakuiert". |
Quelle: deutschland-ein-denkmal.de |
Dachau und Mühldorf
Im Spätsommer 1944 trieb man uns von Warschau aus nach Dachau, wo ich nur kurze Zeit verblieb. Dann kam ich in das Waldlager Mühldorf. Trotz meines miserablen Zustandes - ich war nur noch ein Skelett - musste ich schwer arbeiten. Bei meiner Befreiung war ich körperlich und seelisch ein vollständig gebrochener Mensch.
Ende Juli/Anfang August 1944 wurde ich mit einem Transport von etwa 4000 Mann nach Dachau abtransportiert, u. zw. marschierten wir zuerst drei Tage lang nach Kutno, dann wurden wir in einem Lastzug nach Dachau gebracht. In Dachau erhielt ich die Häftlingsnummer 87422, doch war ich dort nur eine Woche, und wurde dann in das Waldlager Mühldorf bei Dachau geschickt. Auch dieses Lager war mit Drahtverhauhen umgeben und wurde von SS Leuten bewacht. Zuerst wohnten wir in Zelten, später in Bunkern, u. zw. ca. 30 Mann in einem Bunker. Dort war ich zum Tunnelbau kommandiert und hatte einen Kran zu bedienen.
Am 2. Mai 1945 wurden wir von amerikanischen Truppen befreit.
Quelle: Landesarchiv-Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg EL 350 I Bü 32700 EE Samuel Tandlich vom 14.6.1954
Nach dem Krieg 1946-1949 Ampfing
Ich kam damals sofort unter Behandlung von Ärzten der US Armee. An einzelne Namen kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich blieb bis zum Juni des Jahres 1949 und wurde hier ambulant durch Ärzte der UNRRA und IRO betreut. An einzelne Namen kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich bitte bezüglich der Unterlagen beim IRK anzufragen. Durch die Verfolgungszeit leide ich noch heute an schweren Gesundheitsstörungen. Der Verlust meiner ganzen Familie, der jahrelange Aufenthalt in den Vernichtungslagern, die ständige Todesangst, die überschwere Arbeit unter den miserablen Bedingungen haben mich zu einem vor allen Dingen seelisch gestörten Menschen gemacht. Ich befinde mich in ständiger ärztlicher Behandlung. Ich erkläre mich bereit, mich durch eine vertrauensärztliche Kommission untersuchen zu lassen Ich bestätige die Richtigkeit meiner Aussage durch meine Unterschrift an Eides statt.
Emgration 1949 USA
Samuel Tandlich verlies Deutschland im Mai oder Juni 1949 und emigrierte in die USA.
Der Zeuge Ignatz Katz
Der von Samuel Tandlich benannte Zeuge Ignatz Katz, geboren am 4.9.1921 in Köln, bestätigte seine Haftangaben. Er selbst war inhaftiert in: 8/1941 - 9/1942 ZAL Novaky (Kohlegruben), 9/1942 - 10/1943 KZ Auschwitz , 10/1943 - 6/1944 KZ Warschau, 6/1944- 7/1944 KZ Dachau , 7/1944 - 2.5.1945 KZ Dachau/Mühldorf. Nach dem Krieg befand er sich von 5/1945 -bis 1/1948 im DP Camp Feldafing. Er emigrierte in die USA.
Seine Erlebnisse werden in einem Gutachten von 1956 geschildert::
Patient war im Jahre 1941 -1942 im Ghetto und anschließend daran bis zur Befreiung im Jahre 1945 in verschiedenen K.Z.s interniert. Im KZ Auschwitz war der Patient für die Ordnung in einer Baracke verantwortlich, die im wesentlichen von Jugendlichen bewohnt war. Wegen einiger Vergehen, wurde dem Patienten befohlen, diese Jugendlichen im Winter im Freien mit kaltem Wasser zu übergießen. Da er sich weigerte, dieses auszuführen, wurde diese Strafmaßnahme nicht nur von den Ukrainern an den anderen durchgeführt, sondern der
Patient selber musste sich nackt ausziehen, wurde im kaltem wetter mit kaltem Wasser übergossen und musste so etwa 3 Stunden im Freien stehen bleiben. Am nächsten Tag wurde er in ein Strafkommando überwiesen, und wurde nach für den Zeitraum eines Monats abends nach der Arbeit in einen Bunker geführt, wo er die Nacht stehend verbringen musste, weil kein Platz zum Liegen vorhanden war. [...] Später wurde der Patient nach Warschau geschickt, wo er Aufräumungsarbeiten zu verrichten hatte. Hier wurden an ihm einige Münzen entdeckt, die er bei dieser Arbeit gefunden hatte, und als Strafmaßnahme wurde er an den hinter dem Rücken zusammengebundenen Händen etwa 1 Stunde aufgehängt, bis er ohnmächtig wurde.
Quelle: Akte von Ignatz Katz, Landesamt für Finanzen, Landesentschädigungsamt, München, Aktenzeichen BEG31065
Anmerkungen
Weitere Quellen
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Entschädigungsamt
Stuttgart, AZ. ES 8320, 1965-1968
Anmerkungen
letzte Änderung:
27.2.2025: Schilderungen von Ignatz hinzugefügt.
28.2.2025,:Datum geändert, 30. Juni 1943 Beginn Inhaftierung Auschwitz, siehe link.
Bildnachweis
- Liste von aus der SLOVAKEI Deportierten, Name List ID: 21840, United States Holocaust Memorial Museum
- Birkenau, Poland, 1942, Prisoners working in the disinfection cabin. Yad Vashem, Album Number FA157/374
- Auschwitz, Poland, Unloading the trains at the central train station. Yad Vashem, Archival Signature 5720/40
- Stadtarchiv Mühldorf
- Barracks in Waldlager VI, near Ampfing. United States Holocaust Memorial Museum, Photo Number: #80112
- Individuelle Häftlings Unterlagen - KL Dachau 1.1.6.2/10334247/ITS Digital Archive, Arolsen Archives
- Individuelle Häftlings Unterlagen - KL Dachau 1.1.6.2/10334248/ITS Digital Archive, Arolsen Archives
- Listen von Angehörigen der Vereinten Nationen, anderer Ausländer, deutscher Juden und Staatenloser 2.1.1.1/70030911/ITS Digital Archive, Arolsen Archives
- Schriftwechsel und Namenlisten, ausgestellt in Bremen-Grohn: Verkehrsmittel Schiff (USS GENERAL HAAN, USS GENERAL HOWZE); Transitländer und Emigrationsziele: Kanada, USA 3.1.3.2/81659583/ITS Digital Archive, Arolsen Archives