Natan Gewürz

Natan Gewürz - Stationen
Natan Gewürz - Stationen seiner Verfolgung
  • geboren am 18.4.1931 in Hrubieszow/Polen, gestorben am  25.12.1974.
  • 1939 bis Januar 1943 Hrubieszow/Ghetto Hrubieszow
  • Januar 1943 - Februar 1944 ZAL Budzyn (Erdarbeiten, Panzerfallen)
  • Februar 1944 bis 25.7.1944 KZ Plaszow/Mielec (Flugzeugfabrik)
  • 25.7.1944 bis Oktober 1944 KZ Plaszow/Wieliczka (Salzgruben)
  • 16.10.1944  April 1945 KZ Flossenbürg/Zschachwitz  (Panzerbau Fa. MIAG)
  • KZ Flossenbürg/Leitmeritz
  • KZ Theresienstadt
  • 1.1.1947 Displaced Persons Camp Jordanbad
  • 24.1.1947 Displaced Persons Camp Ulm
  • 27.1.1947 Marseille/Frankreich
  • Cypern
  • 9.11.1947 Israel

Anmerkung: Die Zeitangaben in seiner Eidesstattlichen Erklärung  stimmen nicht mit den Angaben auf Häftlingsunterlagen und den Angaben zum KZ Flossenbürg überein. Die obengenannten Zeitangaben basieren auf Angaben aus dem Artikel "Hrubieszow" auf  sztetl.org.pl, sowie iden Angaben n der THE UNITED STATES HOLOCAUST MEMORIAL MUSEUM (HRSG), Encyclopedia of CAMPS AND GHETTOS, 1933–1945 VOLUME I,  Part B (Mielec S. 869, Budzyn S. 882)

Die Reihenfolge der Lager entspricht den Angaben in der Literatur.

Hrubieszow/Ghetto Hrubieszow

Ich bin am 16.4.1931 in Hrubieszow (Kreis Lublin) als Sohn des Berko und seiner Ehefrau Frieda geb. Hudis, geboren worden.
Mein Familienname war früher Giwerc und nach meiner Erinnerung bin ich auch unter diesem Namen in den verschiedenen Lagern und nachher DP-Lagern registriert.
In Palästina habe ich mich Gewürz genannt, weil dieser Name leichter auszusprechen und mehr gebräuchlich ist.

Anfang des Jahres 1940 marschierte die deutsche Wehrmacht in Hrubieszow in und bald nach dem Einmarsch kam ein Befehl heraus, dass die jüdischen Einwohner zum Appell anzutreten haben. Diejenigen Juden, die zum Appell kamen, wurden später umgebracht, darunter auch mein Vater. Nachdem wir davon erfahren hatten, versteckten wir uns zunächst in unserem Hause. Die polnischen Einwohner des Hauses gaben uns ein Ultimatum, sich innerhalb von 6 Stunden bei der Gestapo zu stellen. Wir verliesen deshalb das Haus und meine Mutter und ich versteckten uns innerhalb des Ghettos. Ein anderer Bruder, der sich gestellt hatte, wurde von der Gestapo ins Ghetto eingeliefert. Dieser Bruder lebt in Amerika.

Eines Nachts war eine Kontrolle, u.z. kontrollierte der Lagerführer, ein SS-Mann mit Namen Wagner, selbst und fand uns versteckt im Ghetto. Er befahl uns, am nächsten Tage sich in dem Büro des Lagerführers zu stellen und als wir uns am nächsten Tage dort stellten, gelang es einem Mitglied des Judenrates, der bei der Verhandlung dabei war, den Lagerführer zu beeinflussen uns auch ins Ghetto zu schicken, obwohl meine Mutter als auch ich nicht arbeitsfähig waren.

Das Ghetto bestand aus einer Strasse beim Teich und es war verboten, das Ghetto ohne behördliche Erlaubnis zu verlassen. Es war die Todesstrafe angedroht. Der Lagerführer hatte die Einwohner des Ghettos versammelt und ihnen das Verbot mündlich bekannt gegeben.

Wir waren gezwungen, ein Judenband, weisses Band mit blauen Judenstern zu tragen. Die Einwohner des Ghettos waren zur Zwangsarbeit gezwungen. Ich selbst hatte bei der Reinigung des Büros des Lagerführers gearbeitet. Auch diente ich als Bote für ihn. Meine Arbeitszeit war unbegrenzt und unbeständig. Manchmal habe ich 10 Stunden und manchmal nur 5 Stunden gearbeitet. Es bestand ein Judenrat, welcher die Verteilung des Essens regelte. Es bestand kein Markt. In dem Ghetto waren nur Juden und der nicht-jüdischen Bevölkerung von Hrubieszow war es verboten, das Ghetto zu betreten.
Die Aufsicht führte die Gestapo aus, Leute in schwarzer Uniform mit einer Mütze, auf der ein Totenkopf angeheftet war.

Anmerkung: Laut sztetl.org.pl  sowie Encyclopedia of CAMPS AND GHETTOS, 1933–1945, VOLUME II, Ghettos in German-Occupied Eastern Europe, Part A, S. 634 ff

  • marschierten die Deutsche Armee 1939 in Hrubieszow ein
  • wurde das Ghetto 1940 eingerichtet
  • war Natan Gewürz wohl einer von 200 jüdischen Inhaftierten, die nach der Liquidation des Ghettos im November 1942 Aufräumungsarbeiten durchführen musste. Diese wurden im Mai 1943 ins Zwangsarbeitslager nach Budzyn deportiert.

Mai 1943 - Februar 1944: ZAL/KZ Budzyn

Im Ghetto war ich bis Januar 1941. Zu diesem Zeitpunkt wurde ich in das Arbeitslager Budzyn bei Lublin übergestellt. Das Lager von Budzyn liegt im Kreise Lublin. Das Lager war mit einem Drahtzaun, elektrisch geladen, umzäunt und ausserdem waren Wachttürme aufgestellt, wo ukrainische Polizei Wache hielt. In dem Lager waren Frauen und Männer und auch Kinder und alle wurden zur Arbeit gezwungen. In diesem Lager haben wir Sträflingskleider bekommen. Ebenfalls erhielten wir Nummern, ich kann mich aber an meine Nummer nicht mehr erinnern. In diesem Lager war ich zusammen mit meiner Mutter und meinem Bruder, den ich oben erwähnt habe. Dort musste ich zunächst Erdarbeiten ausführen, u.z. habe ich beim Ausheben von Gräben gearbeitet, in welchen man danach Kartoffel einlagerte. Später habe ich dann bei der Erstellung von Antitankfallen gearbeitet. Wir wurden zur Arbeit unter Begleitung von ukrainischer Polizei geführt. Wir arbeiteten in Gruppen. Jede Gruppe bestand aus ungefähr 30-50 Mann, u.z. nur Männer. Sowohl während der Arbeit, als auch auf dem Wege zur Arbeit wurden wir bewacht und zur Arbeit angehalten. Wir bekamen auch Schläge.
Das Essen war besonders schlecht. Wir wohnten in Baracken, in jeder Baracke ca. 150 Mann. Ich kann mich an die genaue Ziffer aller Insassen des Lagers nicht erinnern, die Zahl ging aber in die Tausende.

Anmerkung: Es wurden  wurden Häftlinge aus Budzyn im Februar 1944 ff wegen zu geringer Auslastung nach Mielec verlegt (Encyclopedia of CAMPS AND GHETTOS, 1933–1945, VOLUME I, Early Camps, Youth Camps, and Concentration Camps and Subcamps under the SS-Business Administration Main Office (WVHA), Part B, S. 883).

Zwangsarbeitslager für Juden im "Generalgouvernement"
Ort Budzyń
Gebiet Generalgouvernement, Distrikt Lublin (1939-1944)
Eröffnung April 1940 (erste Erwähnung)
Schließung 22.10.1943 (letzte Erwähnung) Das Lager wurde als Außenlager des KZ Lublin-Majdanek weitergeführt. Im Juli 1944 "Evakuierung" in das Außenlager Radom, KZ Krakau-Plaszow, Außenlager Wieliczka und nach Starachowice
Geschlecht Männer/Frauen
Einsatz der Häftlinge bei Heinkel-Flugzeugwerke, Firma Beitler
Art der Arbeit Instantsetzung von Maschinen
Quelle: deutschland-ein-denkmal.de

Februar 1944 bis 25.7.1944 KZ Plaszow/Mielec

In Mielec waren Männer und Frauen, die Mehrzahl aber Männer. In Mielec arbeitete ich in einer Flugzeugfabrik. Dort hat man alle Teile für Flugzeuge zusammengestellt, bis auf die Motore. Man hat dort Tag und Nacht gearbeitet und wir mussten in Schichten arbeiten. Die Arbeitszeit war 12 Stunden.
Befragt nach dem Namen der Flugzeugfabrik erkläre ich, dass mir ein bestimmter Name der Flugzeugfabrik nicht bekannt ist, man hat uns auch den Namen nicht mitgeteilt.
Ich kann mich auch an den Namen des Meisters, unter dem ich gearbeitet habe, nicht erinnern.
Die Flugzeugfabrik war nicht im Lager, sondern neben dem Lager und wir mussten täglich zur Arbeitsstätte gehen. Es war aber nicht weit und wir gingen im Ganzen 5-10 Minuten. vor dem Antritt wurden wir gezählt und nachdem wir in der Arbeitsstätte ankamen, wurden wir wieder gezählt. Auf dem Wege selbst war keine Aufsicht.

Außenlager des Konzentrationslagers Kraukau-Płaszów
Ort Mielec, Tarnów
Gebiet Generalgouvernement, Distrikt Krakau (1939-1944)
Eröffnung 12.06.1944, vorher Zwangsarbeitslager für Juden
Schließung "Evakuierung" am 22.07.1944 in das Außenlager Wieliczka und das KZ Flossenbürg; August 1944 (letzte Erwähnung)
Geschlecht Männer
Einsatz der Häftlinge bei Heinkel-Flugzeugwerke
Quelle: deutschland-ein-denkmal.de

Juli 1944 - Oktober 1944: KZ Plaszow/Wielicka

Anfang des Jahres 1942, ich kann mich an das genaue Datum nicht erinnern, wurde ich in das KZ-Lager von Wieliczka eingeliefert. Wieliczka liegt in der Nähe von Krakau. Dort waren Salzgruben und wir mussten in den Salzgruben Zwangsarbeit leisten. wir arbeiteten auch hier in Gruppen. Jede Gruppe zählte ca. 50 Personen. wir haben dort beim Verladen von Salz gearbeitet. In diesem Lager hatte die SS die Aufsicht. Ich kann mich aber an Namen nicht mehr erinnern. Ich weiss nur, dass es ein Untersturmführer war. Als essen bekamen wir 1/4 kg Brot, ein kleines Stück Margerine, einen Löffel Marmelade und 1 Liter Suppe.

In diesem Lager war ich bis Dezember 1942 und im Dezember 1942 kam ich nach Plaszow, wo ich mich ungefähr 2-3 Monate aufhielt. In Plaszow habe ich bei der Reinigung des Lagers gearbeitet.

Natan Giwerc - Häftlingskarte Flossenbürg?
Natan Giwerc - Häftlingskarte Flossenbürg: Quelle: [1]

16.4.1944 bis Ende April 1945 KZ Flossenbürg/Zschachwitz

Ungefähr im März 1943 wurde ich in das KZ-Lager von Schachwitz bei Dresden überstellt. Dort mussten wir in einer Fabrik für Tanken arbeiten. Ich habe dort bei der Zusammenstellung von Tanken gearbeitet. Ich kann mich auch hier nicht an den Namen von Lagerführer und Meistern erinnern. In diesem Lager waren nicht nur jüdische Insassen, sondern auch deutsche und italienische Kriegsverbrecher, russische Kriegsgefangene, ukrainische und französische Kriegsgefangene, und, soweit ich mich erinnere, waren dort im Ganzen 500 - 600 Juden. Auch hier trugen wir Häftlingskleider und und hatten Sträflingsnummern, ich kann mich an die Nummer nicht erinnern.

Außenlager des Konzentrationslagers Flossenbürg
Ort Zschachwitz bei Dresden
Gebiet Sachsen
Eröffnung 14.10.1944
Schließung "Evakuierung" am 15.04.1945 nach Litomèrice (Leitmeritz)
Häftlinge Etwa 1.000 Häftlinge aus den KZ Krakau-Plazow und Mauthausen
Geschlecht Männer
Einsatz der Häftlinge bei MIAG (Mühlen- und Industrie AG)
Art der Arbeit Produktion von Panzern
Quelle: deutschland-ein-denkmal.de
Effektenkarte Flossenbürg
Effektenkarte Flossenbürg; Quelle: [2]

April bis Mai 1945 Leitmeritz und Theresienstadt

Im April 1945, mit dem Heranrücken der Russen, wurden wir aus dem Lager herausgeführt, befanden uns 1 Tag in dem Lager von Leitmeritz, um danach im April 1945 im Theresienstadt anzukommen.
In Theresienstadt haben wir schon nicht mehr gearbeitet und wir wurden am 8.6.1945 durch die Russen befreit.
Ich bin verheiratet und Vater eines Kindes.

Häftlingskarte Leitmeritz
Häftlingskarte Leitmeritz, Quelle: [3]

Nachkriegszeit

Nach meiner Befreiung am 8.5.1945 in Theresienstadt, bin ich zunächst nach Lublin gegangen und habe mich dort in einem Kinderheim aufgehalten. Ich war in Lublin bis September 1945. Von Lublin ging ich nach Sosnowitz. Im Kinderheim von Lublin schloss ich mich einer Gruppe an, die nach Palästina auswandern wollte und mit dieser Gruppe bin ich zunächst nach Sosnowitz und von Sosnowitz in die verschiedenen DP-Lager gegangen.
Ich verlies Sosnowitz im Oktober 1945 und ging nach Deutschland, wo wir im November 1945 im DP-Lager Föhrenwald waren. Im Januar 1946 kamen wir in das DP-Lager von Leibheim, um dann im April 1946 nach dem DP-Lager in Jordanbad bei Biberach zu gehen.
Im DP-Lager von Jordanbad waren wir bis zum 24.1.1947 und von Jordanbad gingen wir für 3 Tage nach Ulm und von Ulm am 27.Januar nach Frankreich, um uns im einem Hafen neben Marseille zur Auswanderung nach Palästina einzuschiffen.
Ich erinnere ganz genau, dass ich in dem DP-Lager von Jordanbad bei Bibrach von einem Beamten der UNRRA registriert wurde. Es kann kein Zweifel sein, dass ich am 1.1.1947 im DP-Lager von Jordanbad gewesen bin. Ich bin noch heute mit den Mitgliedern der Gruppe, die damals nach Palästina auswanderte, zusammen und wir haben ein Tagebuch angelegt über unsere Erlebnisse nach der Befreiung bis zur Einwanderung. In diesem Tagebuch ist das Datum 24.1.1947 vermerkt an welchem Zeitpunkt wir das DP-Lager von Jordanbad verlassen haben.
Im März 1947 verliesen wir Frankreich . Unser Schiff von den englischen Behörden gefasst und wir wurden nach Cypern gebracht, wo wir am 13.4.1947 ankamen.
In Cypern war ich bis November 1947 und bin am 9.11.1947 in Palästina eingewandert.

Anmerkungen

Weitere Quellen

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Entschädigungsamt

Stuttgart 1964-1974

Anmerkungen

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Bildnachweis

  1. Personal file of GIWERZ, NATAN, born on 18-Apr-1929, 1.1.8/ 1.1.8.3/10871779/ITS Digital Archive, Arolsen Archives
  2. Personal file of GIWERZ, NATAN, born on 18-Apr-1929, 1.1.8/ 1.1.8.3/10871779/ITS Digital Archive, Arolsen Archives
  3. Personal file of GIWERZ, NATAN, born on 18-Apr-1929, 1.1.8/ 1.1.8.3/10871779/ITS Digital Archive, Arolsen Archives