Lola Salzmann
- geboren am 29.8.1914 in Radom/Polen, geb. Cygelman, verw. Kurc
- 1940 Zwangsarbeit in Radom
- 1940 Hochzeit mit Henry Kurc
- April 1941 bis Sommer 1943 Ghetto Radom
- Sommer 1943 bis Juli 1944 Zwangsarbeitslager Pionki
- Juli 1944 bis Oktober 1944 KZ Auschwitz, Häftlingsnummer A-14807
- 19.10.1944 2 Wochen KZ Bergen-Belsen, Häftlingsnummer 30436
- 1.11.1944 KZ Buchenwald/Außenlager Elsnig (Westfälisch-Anhaltische-Sprengstoff-Aktiengesellschaft)
- 5.5.1945 Befreiung bei Seddin/Berlin
- 1949 Israel
- 1954 USA
Vor dem Krieg und Ghetto
Ich bin am 29. August 1914 in Radom/Polen geboren. Meine Eltern hiessen Wolf und Gold Cygelmann geborene Cyngeser und sind beide juedisch, sodass ich auch als Volljuedin im Sinne der Nuernberger Gesetze anzusehen bin.
Bei Kriegsausbruch im Jahre 1939 lebte ich in meiner Geburtsstadt Radom, und zwar in Szpitalna 10. Wenige Tage nach der Besetzung musste ich zu meiner Kennzeichnung als Juedin dort eine weisse Armbinde mit blauem Davidstern tragen und spaetestens ab Januar 1940 taeglich Zwangsarbeit leisten.
Quelle: eidestattliche Erklärung für Haftentschädigung; 21.2.1956 New York, Entschädigungsakte Lola Salzman, LANDESAMT FÜR FINANZEN, Amt für Wiedergutmachung, Rheinland-Pfalz
Vor Ausbruch der Verfolgungsmassnahmen lebte ich mit meiner Mutter und meinen Geschwistern in Radom. Mein Vater war verstorben. Ich war immer gesund und kann mich nicht erinnern, jemals aerztliche Hilfe benoetigt zu haben. Nach Abschluss der Schule arbeitete ich als Verkaeuferin in einem Textilgeschaeft.
Als die Nazis kamen, begann mein Leidensweg. Als erstes schleppte man mich in das Ghetto von Radom. Ich habe hier im Ghetto meinen Verlobten, Henry Kurc, im Jahre 1940 geheiratet(1).
(1) Das Ghetto wurde erst 1941 eingerichtet.
Quelle: Eidesstattliche Erklärung für Entschädigung an Schaden an Körper und Gesundheit, um 1967
Ghetto Radom
Etwa im April 1941 musste ich dann in das in Radom errichtete Ghetto ziehen. Dieses Ghetto bestand aus zwei Strassen der Stadt, die durch einen Holzzaun mit Stacheldraht von der Aussenwelt voellig abgeschlossen waren und von bewaffneten Posten bewacht wurden.
Zur Zwangsarbeit wurde ich dort taeglich unter Bewachung zu einer phototechnischen Werkstatt gefuehrt, wo ich die verschiedensten phototechnischen Arbeiten zu verrichten hatte. Nach der Arbeit wurde ich dann jeweils wieder in das Ghetto zurueckgebracht. Unter den vorgeschilderten Verhaeltnissen verblieb ich im Ghetto Radom bis zum Sommer 1943.
Quelle: Eidestattliche Erklärung für Antrag auf Haftentschädigung; 21.2.1956 New York, Entschädigungsakte Lola Salzman, LANDESAMT FÜR FINANZEN, Amt für Wiedergutmachung, Rheinland-Pfalz
Pionki
Von hier aus schleppte man mich nach Pionki.
In einer Munitionsfabrik arbeitete ich schwer. Ich wurde wiederholt misshandelt und litt oft unter fieberhaften Erkaeltungskrankheiten.
Quelle: Eidesstattliche Erklärung für Entschädigung an Schaden an Körper und Gesundheit, um 1967
Sodann wurde ich in das Zwangsarbeitslager Pionki in der Naehe von Radom ueberfuehrt. Dieses Zwangsarbeitslager bestand aus mit Stacheldraht umzaeunten Baracken, die rund um eine Munitionsfabrik aufgestellt waren, und die von bewaffneten Posten patroulliert wurden. Meine Zwangsarbeit bestand in den verschiedensten Arbeiten in der vorerwaehnten Munitionsfabrik.
Quelle: Eidestattliche Erklärung für Antrag auf Haftentschädigung; 21.2.1956 New York, Entschädigungsakte Lola Salzman, LANDESAMT FÜR FINANZEN, Amt für Wiedergutmachung, Rheinland-Pfalz
Zwangsarbeitslager für Juden im "Generalgouvernement" | |
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Ort | Pionki |
Gebiet | Generalgouvernement, Distrikt Radom (1939-1945) |
Eröffnung | Januar 1941 (erste Erwähnung) |
Schließung | November 1944; August 1944 ("Evakuierung") |
Deportationen | Die Häftlinge wurden in das KZ Auschwitz "evakuiert". |
Häftlinge | |
Geschlecht | Frauen |
Einsatz der Häftlinge bei | Steyr-Daimler Puch AG; Firma Meisner, Berlin |
Art der Arbeit | Aufräumungsarbeiten, Küchenarbeiten, Herstellung von Schießpulver |
Quelle: deutschland-ein-denkmal.de |
Auschwitz
Im Juli 1944 kam ich dann in das Konzentrationslager Auschwitz, wo mir die Gefangenennummer A-14807 auf den linken Unterarm eingebrannt wurde. Im Konzentrationslager Auschwitz verblieb ich bis Oktober 1944.
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Waehrend meiner Inhaftierung im Konzentrationslager Auschwitz ereignete sich dort etwa im Sommer 1944 folgender Vorfall: bei einem morgendlichen Fruehappell wurde eine juedische Gefangene vermisst und deshalb mussten wir juedischen Haeftlinge strafexerzieren.
Weil ich dabei angeblich ein Kommando nicht schnell genug ausfuehrte, trat mich einer der SS-Leute mit dem Stiefel in die rechte Unterleibsgegend. Daraufhin brach ich zusammen. Juedische Mitgefangene mussten mich nach dieser Misshandlung stuetzen. Obgleich ich fuerchterliche Schmerzen hatte, begab ich mich aus Furcht, bei einer eventuellen Krankmeldung in ein sogenanntes Vernichtungslager verschickt zu werden, jedoch nicht in das dortige Krankenrevier.
Eidestattliche Erklaerung vom 21.2.1956, New York, Entschädigungsakte Lola Salzman, LANDESAMT FÜR FINANZEN, Amt für Wiedergutmachung, Rheinland-Pfalz
Bergen-Belsen/Elsnig
Anschliessend wurde ich in das Konzentrationslager Bergen-Belsen transportiert, wo ich auf meiner Haeftlingskleidung zusaetzlich eine Nummer auf der Brust tragen musste, an die ich mich jedoch nicht mehr erinnern kann. Bereits nach zwei woechiger Inhaftierung wurde ich von dort in das Konzentrationslager Elsnig-Wasag ueberfuehrt, das ein Unterlager vom KZ Buchenwald war. Dort war ich bis Maerz 1945 inhaftiert.
Mit dem Herannahen der Russen kam ich dann auf einen Eisenbahntransport, der uns juedische Haeftlinge ueber die verschiedensten, mir nicht mehr namentlich bekannten Ortschaften fuehrte. Auf diesem Transport wurde ich dann am 5. Mai 1945 von den russischen Truppen befreit.
Eidestattliche Erklaerung vom 21.2.1956, New York, Entschädigungsakte Lola Salzman, LANDESAMT FÜR FINANZEN, Amt für Wiedergutmachung, Rheinland-Pfalz
Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald | |
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Ort | Elsnig |
Bezeichnung | |
Gebiet | Preußen (Provinz Sachsen) |
Eröffnung | 10.10.1944 (erste Erwähnung) |
Schließung | 20.04.1945 ("Evakuierung") |
Häftlinge | Etwa 750 jüdische Frauen |
Geschlecht | Frauen |
Einsatz der Häftlinge bei | WASAG (Westfälisch-Anhaltische Sprengstoff AG) Chemische Fabriken, Werk Elsnig |
Art der Arbeit | Herstellung von TNT und Marinesprengstoff |
Quelle: deutschland-ein-denkmal.de |
Nach dem Krieg
Ich kehrte dann nach Polen zurueck. Hier musste ich erfahren, dass die Nazis meinen Mann, meine Mutter und sieben meiner Geschwister ermordet hatten. Dies war ein entsetzlicher Schock fuer mich. Ich blieb bis zum Jahre 1950 in Polen, immigrierte dann nach Israel und lebe seit dem Jahre 1954 in den USA.
Durch die furchtbaren Verhaeltnisse waehrend der Verfolgungszeit, die grausamen Misshandlungen, die Erkrankungen ohne aerztliche Hilfe, die ungewohnten schweren Arbeiten, das fehlende Essen, die mangelnde Kleidung, die staendige Todesfurcht, den Verlust meiner Angehoerigen bin ich bis zum heutigen Tag gesundheitlich schwer gestoert und befinde mich in staendiger aerztlicher Behandlung.
Ich erklaere mich bereit, mich durch einen Vertrauensarzt des deutschen Konsulats untersuchen zu lassen.
Die Richtigkeit meiner Aussage bestaetige ich durch meine Unterschrift an Eides statt.
Quelle: Eidesstattliche Erklärung für Entschädigung an Schaden an Körper und Gesundheit, um 1967
Henry Kurc
Ich kannte den aus meinem Heimatort stammenden Henry Kurc bereits einige Jahre vor dem Kriege vom Sehen her und weiss, dass er in Radom als Photograph taetig war.
Im Zuge der rassischen Verfolgung waren wir etwa im Juli 1944 im Konzentrationslager Auschwitz interniert, von wo aus wir nach kurzem Aufenthalt in dessen Unterlager Sosnowiece ueberfuehrt wurden und dort bis etwa Januar 1945 gefangen gehalten waren. Zu diesem Zeitpunkt kamen wir gemeinsam auf den gleichen Fussmarsch, der uns in das Konzentrationslager Mauthausen bringen sollte. Ich kann aus eigener Wissenschaft bekunden, dass Henry Kurc sich auf diesem Marsch befand, als wir das Lager Sosnowiece verliesen. Da alle Haeftlinge, die auf diesem unmenschlichen Transport zusammenbrachen von den begleitenden SS-Wachtposten sogleich erschossen wurden und sich Henry Kurc nicht bei den etwa 400 Ueberlebenden von etwa 1000 Haeftlingen befand, besteht kein Zweifel, dass er auf diesem Fussmarsch umgekommen ist.
Nathan Berkowitz, 21.1.1923 Radom/Polen; Entschädigungsamt Stuttgart; Zeugenaussage zum Antrag auf Entschädigung für Schaden am Leben; New York, ca 1955, Entschädigungsakte Lola Salzman, LANDESAMT FÜR FINANZEN, Amt für Wiedergutmachung, Rheinland-Pfalz
Anmerkungen
Weitere Quellen
Entschädigungsakte der Lola Salzmann , Landesentschädigungsamt Rheinland-Pfalz: Zeugenaussagen, eidesstattliche Erklärungen zu den Verfahren Schaden am Leben, Schaden an Freiheit.
Entschädigungsamt
Koblenz Az.: VA 146494, 1966-1975
Anmerkungen
Lola Salzmann erhielt keine Entschädigung für den Schaden an Körper oder Gesundheit, da sie sich am 1.1.1947 nicht in Deutschland aufhielt und sie auch nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehörte.
Bildnachweis
- Effektenkarte Lola Kurc, Buchenwald, 1.1.5.4/67632268 ITS Digital Archive, Arolsen Archives
- Arbeitseinsatzkarte Lola Kurc, Buchenwald, 1.1.5.4/67632270 ITS Digital Archive, Arolsen Archives
- Nummernkarte Lola Kurc, Buchenwald, 1.1.5.4/67632269 ITS Digital Archive, Arolsen Archives
- Stadtplan Radom 1939, Quelle mapster, wikipedia