Deutsche Juden bzw. im Deutschen Reich lebende polnische Juden berichten über Verfolgungen, die teilweise bereits vor 1933 begannen:

  • Boykott jüdischer Geschäfte
  • Enteignungen jüdischer Geschäftsinhaber
  • Verlust der Arbeit wegen ihrer "Rasse"
  • Misshandlungen auf offener Straße
  • Verwüstung der Wohnungen während des Novemberpogroms ("Reichskristallnacht")
  • willkürliche Verhaftungen und Misshandlung, Folterung und Ermordung Angehöriger durch die Gestapo

Konnten sie emigrieren werden u. a. Sprachprobleme und die Folgen erwähnt: Sozialer Abstieg, weil sie wegen Sprachproblemen  nicht im erlernten Beruf arbeiten konnten, sondern als Hilfsarbeiter/Schwarzarbeiter  arbeiten mussten. Schüler konnten ihre Schulausbildung nicht angemessen beenden.

Shaul Brenner

geboren am 18.4.1915 in Berlin, Aussage 1965. Entschädigungsamt Berlin

Emigrierte im Juli 1939 nach Palästina

Noch vor Machtübernahme seitens Hitler, besonders aber nach dem Jahre 1933 war ich als Jude, Verspottungen, Anpöbelungen, Beschimpfungen, Schlägen, Entwürdigungen ausgesetzt. Sowohl ich, als auch Freunde von mir und nahestehende Verwandte, Onkel, Cousins wurden zur Gestapo zu sogenannten "Untersuchungen" beordert. Dort wurden wir Opfer schwerer Misshandlungen. Ein Onkel, ein Cousin und Freunde kamen von diesen "Untersuchungen" auch nie mehr zurück. Sie wurden einfach totgeprügelt. Andere kamen nach einigen Tagen, verstört, mit blutunterlaufenen Flecken, verschwollen zurück, dies in einem jämmerlichen physischen und seelischen Zustand …. An der Tagesordnung waren auch die "mutigen Taten" von halbwüchsigen Hitleristen, die in rauhen Mengen, einzelne Juden überfielen und verprügelten.

Im Jahre 1938 wurde ich, als polnischer Staatsbürger, ausgewiesen, kam in das Niemandsland bei Posen nach Zbondzin, wo ich eine Zeit, hungernd, unter menschenunwürdigen Verhältnissen verbrachte. Von Polen wanderte ich dann illegal nach Israel - das damalige Palästina - ein. Hier angelangt, begann neues Leid für mich.

Der Landessprache war ich nicht kundig, so musste ich jedwede Schwarzarbeit, um mein Leben zu fristen, bei ungewohnten Klimaverhältnissen und sehr schlechten Wohnungsmöglichkeiten, verrichten.

Karl Meier Frenkel

geboren am 26. 9. 1909 in Kassel, Entschädigungsamt Kassel.

Biografie: Frenkel war kaufmännischer Angestellter, ab 1932 "Inkassant" (Kassierer) für das Kaufhaus Gustav Simon und der Fahrradhandlung Rosenbaum in Hersfeld, wurde 1933 wegen des Boykotts jüdischer Geschäfte arbeitslos und machte ab 1934 eine einjährige landwirtschaftliche Lehre ("Hachschara") in Külte. Er wanderte im September 1935 nach Palästina aus. Aussagen von 1963ff.

Er schrieb am 8.2.1965:

Nach der Machtergreifung Hitlers war ich als Jude schweren antisemitischen Poebeleien wie auch Misshandlungen ausgesetzt. Ich wurde auf der Strasse angespuckt, mit Steinen beworfen, von einer Horde halbwuechsiger - Angehoerigen der Hitlerjugend – schwer verpruegelt; dies war besonders an einem Tage, als ich mich zum Gottesdienst bewegen wollte unmittelbar vor der Synagoge. Ich traute mich kaum noch auf die Strasse, hatte manchmal kein Brot im Hause zum Essen. Es ist ja allgemein bekannt, dass man als Jude diesen nationalsozialistischen Horden absolut vogelfrei ausgeliefert war und die Polizei  niemals einschritt.

Auf die Forderung des Amtes, Zeugen für Misshandlungen zu benennen, antwortete er am 19.4.1965:

Ich erklaere hiermit ausdrücklich, dass ich über meine Misshandlungen und Verpruegelungen bereits  in meinen frueheren Versicherungen alles genau geschildert und ausgesagt habe. Leider habe ich es versaeumt, zur Misshandlung Augenzeugen zu bestellen. Ich berufe mich daher auf Beweisnotstand.

Zum Schicksal seiner Verwandten erteilte er am 20.2.1964 folgende Auskunft:

Als ich im Jahre 1949 meinen Berufsschadensantrag machte, hatte ich keinerlei Veranlassung ueber verschiedene Vorkommnisse und Misshandlungen in Deutschland zu schreiben. Damals wussten noch alle Leute, wie es um die Hitlerzeit in Deutschland ausgeschaut hatte, scheinbar will man das heute vergessen ... Im Fruehling 1935 wurde obengenannter Onkel und Tante zur Gestapo gebracht, man wollte von ihnen wissen, ob und wo sie ihren Schmuck und ihr Geld versteckt hatten. Sie kamen ca. 2 Tage spaeter nach Hause, verstoert, mit blutunterlaufenen blauen Flecken, verschwollen, in einem jaemmerlichen Zustand. Man hatte sie fast die ganze Zeit, bei ganz grellem Lichte verhoert, ohne sie schlafen zu lassen; ausserdem hatte man sie Schreien und Heulen, das angeblich von Mithaeftlingen kam, hoeren lassen, damit sie Angst bekaemen....

Seine Verwandten überlebten die Verfolgung nicht. Und zur Situation in Deutschland allgemein bemerkte Frenkel:

Es kursierte auch folgende Geschichte in Deutschland: Ein Mann kam von der Gestapo zerschlagen und blutunterlaufen zurück. Auf die Frage, was er dort erlebt hätte, erklärte er, dass er sehr freundlich aufgenommen und mit Tee und Kuchen bewirtet worden sei. Als man ihm darauf entgegnete, dass andere Leute – von der Gestapo zurückkommend – ganz andere Dinge erzählen, so erwiderte er, einfach, diese seien wieder zurückgerufen worden aus Angst vor der Gestapo berichtete er also nur von der guten Bewirtung.

Irma Jacoby

geboren am 12.12.1901 in Krefeld, geborene Leven, verwitwete Winter, Aussage 1963

In meinen Versicherungen beim Berufsschaden und den meines verstorbenen Mannes habe ich über meine materielle Lage bereits alles angegeben.
Nicht angegeben habe ich, wieviel Aufregungen, Kränkungen und Kummer ich während dieser Zeit durchgemacht habe.
Da mein Mann dadurch, dass die Deutschen bei ihm nicht mehr kaufen wollten und die Juden nicht mehr kaufen konnten, seiner Firma keine Aufträge mehr brachte, wurde er entlassen. Er versuchte dann, ab Mitte 1935 ungefähr, auf eigene Faust zu arbeiten. Er musste zu diesem Zweck, in der ganzen Umgebung herumreisen, wurde als Jude dauernd angegriffen und manchmal auch tätlich verletzt.
Gegen Mitte 1938 begann er wegen der Aufregungen, die er ewig durchmachen musste, sowie der Furcht, in der er lebte, an Herzbeschwerden zu leiden, und ich, die ihn in einem solchen Zustand von zu Hause weggehen sah, fürchtete dauernd, dass ihm etwas passieren könnte. Leider haben sich meine Befürchtungen bewahrheitet. Er starb am 19. Oktober 1938, auf der Strasse, vor unserem Hause.
Meine Tochter hatte als Jüdin in der Schule ebenfalls sehr viel mitgemacht und musste ebenfalls in eine jüdische Schule gehen. Auch sie kam öfters zerschlagen vom Schulgang nach Hause.
Während der Kristallnacht wurde ich um meine letzte Habe gebracht. Nazi - Horden überfielen mich und haben alles in meiner Wohnung kaputtgeschlagen. Ich versteckte mich bei einer mir befreundeten Familie und fuhr dann zu meinem Vater nach Krefeld.
Dort musste ich miterleben, dass mein Vater verhaftet und in einem ganz zerschlagenem Zustande nach einigen Tagen nach Hause geschickt wurde. Ich flüchtete, da ich diese Zustände nicht mehr mit ansehen konnte, und für unser Leben fürchtete, über Holland nach England.
Dort kam ich ohne einen Heller Geldes an und musste schwerste Arbeit im Haushalt, bei Miss Cooper, London, Highfield Garden und dann bei Ms. Miller, London, Hallam-Street Nr. 105, leisten. Da ich vorher berufstätig war, war dies eine mir äusserst ungewohnte und anstrengende Arbeit und die Leute dort nutzten uns Flüchtlinge sehr aus. Meine Tochter musste ich bei anderen Leuten lassen und für ihren Unterhalt dort natürlich bezahlen. Dies war besonders tragisch, während des Blitzes, da ich ja nicht wissen konnte, wo die Bomben eingeschlagen hatten. 1941 hatte ich auch noch die Nachricht durch das Rote Kreuz erhalten, dass man meine Eltern deportiert hatte und ich habe von ihnen niemals wieder etwas gehört.

Bernd-Dov Joseph

geboren am 16.2.1924 in Trempen/Ostpreussen, Aussage 1963

Emigrierte 1940 nach Palästina.

Joseph berichtet, wie er als Schüler bereits vor 1933 misshandelt wurde, über die Ermordung des Vaters Leo Joseph, Verlust der Mutter Johanna Joseph, die Reise nach Palästina.

Schon lange vor Hitler haben wir, wir waren die einzigen Juden in einem kleinen ostpreussischen Dorf – die Nazi-Verfolgungen zu spüren bekommen. Ich wurde in der Schule verspottet und geschlagen und jeden Tag in der Früh, war ich aus Angst vor dem Schulbesuch krank. Als Hitler dann an die Macht kam, verschlimmerte sich der Zustand noch weitaus mehr und aus diesem Grund schickten mich meine Eltern, im Jahre 1936 - zu meinen Verwandten nach Polen. Dort erfuhr ich dann, dass mein Vater 1937 verhaftet und 1938 umgebracht worden war (in Dachau). Da ich in Polen keinen Aufenthalt mehr bekommen konnte, musste ich zurueck nach Deutschland, wo ich dann in Berlin Umschulungskurse durchmachte. Meine Mutter war durch den Verlust meines Vaters vollkommen zerstört und dadurch wurde mein Nervenzustand noch weitaus schlechter als ich ihren Zustand sah. Ich selbst ging dann 1940 nach Palästina, sie musste zurückbleiben und ist dann nach Riga verschickt worden und dort 1942 umgekommen. Die Fahrt nach Palästina dauerte 3 Monaten unter schrecklichen Bedingungen. Ich machte einen schweren Typhus am Schiff durch. Wir wurden von den Engländern gefasst und auf die berüchtigte "Patria" (abgerufen am 23-2-2021) gebracht, die ja bekanntlich im Hafen von Haifa gesunken ist. Dies war der letzte Anstoss, um meine Nerven vollkommen zu ruinieren. Ich war dann noch einige Monate in Atlit (Anm: britisches Internierungslager bei Haifa) interniert und als ich freikam, musste ich schwerste Schwarzarbeit leisten, da ich ja keine Landessprache beherrschte und über gar keine Barmittel verfügte.

Ester Jurman

geboren am  1.9.1924 in Ustriky/Polen, Aussage 1963

Sie lebte bis 1936 in Berlin. Die Familie floh 1936 in die Tschechoslowakei, sie lebte dann wieder von 1936-1939 in Berlin, war von 1939-1942 in Loosdrech (Holland), von 1942-1944 im Lager Westerborgk interniert und  wurde  im September 1944 nach Theresienstadt verschleppt.

Schon bevor Hitler an die Macht kam, waren wir Juden Verfolgungen ausgesetzt. Auf dem Weg zur Schule wurde ich sehr oft verspottet, verprügelt und als Hitler dann an die Macht kam, waren wir der Hitlerjugend vollkommen ausgeliefert und es war selbstverständlich, dass uns Kinder der Juden niemand in Schutz nahm. Jeden Tag zitterte ich als ich zum Schulweg mich begeben musste. Im Jahre 1936 kam die SA zu uns ins Haus, zerschlug Möbel, Porzellan, zerschnitt die Pölster, zerriss die Bücher, schlug uns alle und stiess Drohungen gegen uns aus. Ich war furchtbar erschüttert. Als mein Vater den allgemeinen Zustand und unsere Verfassung sah, beschloss er uns alle in die Tschechoslowakei kommen zu lassen, wo er schon vorher ausgewandert war. Wir waren in der Tschechei ohne Aufenthaltserlaubnis, meine Mutter kam bei einem Accident um und ich wurde 1936 dann deshalb nach Berlin zu meinem Onkel, S. Akiwa geschickt. 1939 wurde ich mit einer Gruppe von Kindern nach Holland geschafft.

Siehe auch die Aussage des Bruders Ascher Singer, der sich nach dem Aufenthalt in der Tschechoslowakei ins Gut Steckelsdorf begab und von dort aus nach Palästina auswanderte.

Ruth Zitkoni

geboren am 15.3.1927/1928 in Berlin, geborene Spier, Aussage 1964. Entschädigungsamt Detmold.

Biografie: -1934 Bamberg; 1934-31.2.1942 jüdisches Waisenhaus Paderborn; 31.2.1942-22.7.1942 Hannover; 22.7.42-8.5.45 Theresienstadt; 1945-1946 verschiedene Kinderheime in England, Emigration nach Israel.

Dort (Anm.: im Kinderheim Paderborn) war ich Anpöbelungen, und Beschimpfungen, auch Verprügelungen ausgesetzt, sobald ich es auch nur gewagt hatte auch nur in den Hof des Waisenhauses hinauszugehen. Oder wenn Nazihorden versuchten, bei uns einzudringen. Im Jahre 1941 mussten wir auch den Judenstern tragen. Im Jahre 1942 wurde das Kinderheim zwangsweise aufgelöst und wir wurden zur Zwangsarbeit ins Konzentrationslager Theresienstadt verbracht... Während der Verfolgung verlor ich meine Mutter, im Jahre 1940, 1 Schwester meiner Mutter mit ihrem Sohn und weitere Familienangehörige. Ich verbrachte die gesamte Verfolgung, in einem jugendlichen Alter, alleine, ohne jemand von meinen Verwandten.

 
Anmerkungen:
  1. Deportation nach Theresienstadt: laut Yad Vashem Deportation Database gab es 1942 einen Transport von Hannover nach Theresienstadt: "Transport VIII/1, Train Da 75 from Hannover,Germany to Theresienstadt,Ghetto,Czechoslovakia on 23/07/1942"
  2. Auflösung des jüdischen Waisenhauses Paderborn erfolgte am 31.2.1942,
  3. Geschichte der Familie Spier, Bamberg
  4. Karteikarte Ghetto Theresienstadt bei Arolsen Archives

Dolly Sadowski

geboren am 13.11.1931 in Elberfeld/Deutschland, geborene Kurz. Aussage von 1967. Entschädigungsamt Düsseldorf.

Biografie: Wuppertal, Gdingen, Lemberg, Sibirien, Usbekistan, 1946 Polen, 1950 Israel

Unter dem Druck, der immer schwerer werdenden Judenverfolgungen, beschlossen meine Eltern, um unser Leben zu retten, Deutschland zu verlassen.

Es drangen 7 Gestapo Männer in das Bureau meines Vaters, der Kinobesitzer in Solingen/Ohligs war ein, verlangten die sofortige Schliessung des Kinos und bedrohten sein Leben.

Im Hause herrschte Angst und Panik.

Mit meiner Mutter fuhren wir Kinder, 1 Bruder und ich, nach Gdingen.

In Gddingen lebten wir bis zum Ausbruch des deutsch-polnischen Krieges, Krieges, einige Jahre der Illusion hingegen, der Verfolgung seitens Hitler entgangen zu sein.

Nach Einmarsch der Deutschen in Gdingen, im September 1939, setzten Judenverfolgungen ein, die von Tag zu Tag immer schwerer wurden.

Um unser Leben zu retten, mussten wir ein zweites Mal fliehen.

Ich langte über Tarnow nach Lemberg an. Glaubtre mich endlich geborgen. Weit davon entfernt, begann für mich ein neues  Leid, eine neue Verfolgung. im Jahre 1940 wurde ich von den Russen ausgehoben und nach Aldan (Lager Ugolne) Sibirien verschickt. Meine Eltern, mein Bruder mussten schwere Waldzwangsarbeiten leisten. Ich wohnte, mit 24 Personen zusammen in einer von uns selbst gebauten Holzbaracke, schlief auf Pritschen, hungerte und fror, war verlaust, verschmutzt und sehr häufig krank.

Shlomo Pendzel

geboren am 15.12.1901 in Beuthen/Oberschlesien. Entschädigungsamt Neustadt/Weinstrasse

Biografie: 1901-1919 Polen, 1919-1938 Deutschland, 2.8.1939 Einschiffung nach Shanghai; 8/1939-31.12.1948 Ghetto Shanghai, Israel

Mandant stammt aus Polen, hat 1919 seinen Wohnsitz nach Deutschland verlegt und lebte dort von 1919 bis 1939. Seine Frau ist Berlinerin, er lebte in Beuthen/Oberschlesien, gehörte dem deutschen Sprach- und Kulturkreis an, was er ausführlich schildert. Im Oktober 1938 erfolgte die Polenaktion, die Familie wurde nicht abgeschoben, musste sich jedoch verpflichten, Deutschland binnen einer bestimmten Frist zu verlassen. Im August 1939 verlies die Familie Pendzel Deutschland und schiffte sich 1939 am 2. August nach Shanghai ein. Ende August 1939 Ankunft in Shanghai, zunächst im Lager gelebt, nach drei Monaten das Lager verlassen und in einem Zimmer gelebt.

Aktenauszug 14.3.1966

Vor der Verfolgung war ich ein kräftiger und gesunder Mann.- Ich hatte in Beuthen, in der Gartenstrasse 20 ein eigenes Textilwarengeschäft und verdiente jährlich RM 8000.– Nachdem die Judenverfolgungen immer unerträglicher wurden, habe ich mich im August 1939 nach
Shanghai verschifft und fristete dort mein Leben durch Gelegenheitsarbeiten.

Eidestattliche Erklärung 11.5.1966

Ich habe den Antragsteller währen meines Aufenthalts in Shanghai kennen gelernt. Viele Familienmitglieder haben dort zusammen in einem Raum leben muessen. Es herrschten dort unhygienische Bedingungen, es gab dort keine Wasserklosette, man musste dort stinkende Kuebel benutzen, ungekochtes Wasser konnte man nicht benutzen, keiner hatte genug zu essen. Durch die unhygienischen Verhaeltnisse und mangelnde Ernaehrung waren wir alle krank.

Eidestattliche Erklärung der Zeugin Luise Hartmann, 17.7.1966

Tamar Raban

geboren am 5.4.1922 in Hannover/Deutschland. Entschädigungsamt Hannover

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Biografie: 1939 Palästina

Wir lebten beide in Hannover und als Hitler an die Macht kam und die Nazis regierten, hatte die Familie RECHNITZ und die Antragstellerin selbst, viel zu leiden. Ich weiss, dass sie Anpoebelungen, Beschimpfungen ausgesetzt war, von Klassenkameradinnen als Juedin geschlagen und verspottet wurde – genau wie ich – das Geschaeft des Vaters wurde boykottiert, sie traute sich kaum noch auf die Strasse, war schrecklich nervoes, erlitt Weinkraempfe und die Familie strebte nach Auswanderung.

Charlotte Gilbert, Zeugin für Tamar Raben, geb. Elfriede Rechnitz

Rosa Chaba

geboren 1893 oder 1898 in Wolbrom/Polen, geb. Weinstock, verwitwete Mayer. Entschädigungsamt Koblenz.

Biografie: 1919 bis 1932 Düsseldorf; 1923 Hochzeit mit Moritz Mayer, 1932 Saarbrücken, 1938 Konstie/Polen, 12/1939 Judenstern, 1940-12/1942 Ghetto Konstie, 12/1942-7/1944 Skarzysko-Kamienna,  7/1944 bis 13.1.1945 HASAG Czenstochau; 1945-1950 Polen, 1950 Israel

Schon 1932 wurde meine Ehemann Moritz Mayer unterwegs angepöbelt und sogar geschlagen. Aus diesem Grunde musste er seine Tätigkeit aufgeben und erhielt durch die Vermittlung von Direktor Schloss einen Stand für Gummiwaren bei der Firma Leonard TIETZ in Düsseldorf. Er führte diesen Stand meines Wissens nach in eigener Regie, und hatte ihn bis ungefähr 1934 inne.
Da ich selbst in Saarbrücken illegal lebte und später von dort nach Polen verschickt wurde, konnte ich mit meinem umgekommenen 1. Ehemann nur sehr spärliche, kurze Lebenszeichen austauschen. Ich weiss daher auch nicht was er von ca. 1934 bis zu seiner Deportation am 21.7.1942 gemacht hat

Chaim Idam (aka Kosminski, Hans)

06.02.1921 Zielenzig/Frankfurt/Oder/Deutschland

Entschädigungsamt Berlin

Biografie: 1939 Emigration nach Palästina

Mandant ist am 6.3.1921 in der Nähe von Frankfurt/Oder geboren. Sein Vater hiess Pawel Kozminski, Mandant und seine Eltern waren Deutsche Staatsangehörige.
Im fünften oder sechsten Lebensjahr des Mandanten übersiedelte die Familie nach Berlin, wohnte dort zunächst in der Schönhauser-Allee 80 oder 81 und später in Berlin, Emanuel-Kirch-Strasse 7. Er besuchte die Volksschule in Berlin bis zum Abschluss. Nach der Schulzeit Ostern 1935 wollte er Feinmechaniker lernen, die Firma Schreiber & Co. in der Schönhauser-Allee 74 hätte ihn als Lehrling angenommen. Jedoch wehrte sich die Innung gegen den Lehrvertrag, Mandant konnte die Lehre nicht antreten, und dann wurde er "Arbeitsbursche" bei der Firma Frankenstein in der Alexandrinenstrasse 97.
Ende 1938 verlor er auch diese Stellung.
Februar 1939 begab er sich in ein Umschulungslager bei Hamburg, im Jahr 1939 wurde das Lager aufgelöst und Mandant ging nach Berlin zu seinen Eltern zurück. Er arbeitete dann wenige Tage im Juli 1939 in einer Holzaufarbeitung in der Mark Brandenburg und konnte dann die Umschulung in einem anderen Umschulungslager fortsetzen. Dort blieb er bis September 1939, konnte aber auch diese Ausbldung nicht beenden, musste wieder Hilfsarbeiter werden und wanderte dann am 13.10.1939 nach Palästina aus.

Hermann Pineas

geboren 1892 in Düsseldorf.

Dr. Hermann Pineas ist selbst kein von Konrad Kittl vertretener Antragsteller. Vielmehr erstellte er als nach dem Krieg nach New York emigirierter jüdischer Arzt für mehr als 35 von Konrad Kittl vertretene Antragsteller psychiatrische Gutachten, die in den Unterlagen von Konrad Kittl erhalten sind.

Er berichtet über ein  Erlebnis, welches ihn bewog, 1925 in den "Reichsbund jüdischer Frontkämpfer (RjF)" einzutreten:

 

Ich bin verhaeltnismaessig spaet zum R.j.F. gekommen, naemlich im Jahre 1925. Die unmittelbare Veranlassung, Mitglied zu werden, war folgendes Erlebnis: Eines Tages zog ein uniformierter Trupp im Stahlhelm ueber die Berliner Tauentzienstrasse unter Absingung des Liedes:„Wenns Judenblut vom Messer spritzt, Dann gehts nochmal so gut!“ Daraufhin begab ich mich in das nahe meiner Wohnung am Wittenbergplatz gelegene Bureau der Bezirksgruppe Zoo(logischer Garten) der Ortsgruppe Berlin des R.j.F. zur Aufnahme.

Hermann Pineas wurde in 1892 in Düsseldorf geboren und  besuchte  dort die Schule. Er wurde in Bonn, Würzburg und Berlin zum Arzt ausgebildet und kam im Sommer 1915 an die Ostfront. Im 1. Weltkrieg war er "Feldunterarzt" bzw.  "Feldhilfsarzt“ im Infanterie Regiment 372 und erhielt am 30.6.1916 das Eiserne Kreuz 2. Klasse. Am 16. Januar 1918 wurde er zum  "Assistenzarzt in Reserve“ ernannt. Im Oktober 1918 wurde er schwer verwundet. Nach Kriegsende  praktizierte er in Berlin als Neurologe. Als "jüdischer Frontkämpfer" durfte er auch nach 1938 als "jüdischer Arzt" weiter praktizieren und wurde wurde am 1. Juli 1939 Leiter der Nervenabteilung des jüdischen Krankenhauses Berlin, Iranischestrasse.

Seine Söhne konnten 1938/1939 nach England bzw. Palästina ausreisen. Die Versuche von ihm und seiner Frau zu emigrieren, schlugen fehl. Sie tauchten am 6. März 1943 unter, nachdem sie am 4. März mit anderen Berliner Juden zum Sammellager Levetzowstrasse gebracht,  dort aber wieder freigelassen worden waren,.

Hermann Pineas ging nach Wien, Linz und St.Pölten, während seine Frau nach einem kurzen Aufenthalt in Berlin in Württemberg untertauchen konnte. Ende 1943 lebten beide als Untergetauchte in Württemberg, wo sie von Mitgliedern der bekennenden Kirche versteckt wurden. 1944 erhielten sie gefälschte Ausweise, und Hermann Pineas konnte sogar  als Dr. Hans Günther eine Stelle bei der "Werkzeug und Maschinenfabrik Wilhelm Stehle" In Memmingen antreten. Näheres siehe Biografie.

Sie emigrierten nach 1945 in die USA, wo Hermann Pineas weiter als Arzt praktizierte.

Dort erstellte er Gutachten für mehr als 40 Klienten von Konrad Kittl, von denen einige in den Akten enthalten sind.

Quellen: Leo Baeck Institute, suche nach "Hermann Pineas"